Aufklärung der BND-Affäre: Hauptsache, die sehen das nicht selbst
Die GroKo will die Opposition wohl nicht mit heiklen Daten versorgen müssen. Ihre Idee: Ein unabhängiger Sonderermittler.
BERLIN taz | Lachen oder weinen? Im Streit über die Aufklärung der BND-Affäre deutet sich eine Lösung an, die vor allem die Regierungsfraktionen beglücken könnte. Nach Vorstellungen der Koalition aus Union und SPD könnte ein eigener Ermittlungsbeauftragter mit der Aufklärung der gegen BND und Kanzleramt erhobenen Vorwürfe betraut werden und möglicherweise Einsicht in die Selektorenlisten erhalten, die Parlamentarier seit Beginn der Affäre fordern.
Die Einsicht in die NSA-Selektoren (Suchbegriffe) ist zentral wichtig, weil daraus hervorgehen könnte, in welchem Umfang der BND der US-Regierung half, Unternehmen und politische Institutionen in Europa auszuspionieren. Weil zahlreiche Veröffentlichungen den Verdacht nahelegen, dass hochrangige Beamte in der Spitze des Kanzleramts die Öffentlichkeit wiederholt getäuscht haben, ist die Affäre auch für Merkel brisant.
Das Kanzleramt will nun offenbar umgehen, den Mitgliedern des NSA-Untersuchungsausschusses die umkämpfte Selektorenliste auszuhändigen, und fürchtet vorgeblich gravierende Folgen für die Zusammenarbeit mit den USA, wenn Details aus der Kooperation bekannt werden. Oppositionspolitiker haben dagegen erklärt, klagen zu wollen, wenn ihnen die Listen vorenthalten werden.
Und so werden im Bundestag eifrig die Optionen einer Beteiligung des Parlaments diskutiert. Im sogenannten Treptow-Verfahren könnte es Obleuten gestattet werden, in einer Geheimdienstaußenstelle Einsicht zu nehmen. Eine intensive Auseinandersetzung mit den Millionen Suchbegriffen wäre für die Abgeordnetenbüros so allerdings kaum möglich.
Berliner Justizsenator als Ermittler?
Eine andere Option ist die, dass der Bundestag einen Sonderermittler einsetzt – das wäre vor allem für Merkel eine charmante Lösung. So könnte das Kanzleramt Entgegenkommen signalisieren, müsste aber den Abgeordneten die Selektorenliste nicht aushändigen.
Die Leipziger Volkszeitung hatte berichtet, dass der Grünenpolitiker und ehemalige Berliner Justizsenator Wolfgang Wieland auf Regierungsseite als Ermittler ins Gespräch gebracht wurde – auch als Signal an die Opposition. Die jedoch lehnt einen solchen Sonderermittler strikt ab und will im Zweifel auch dagegen klagen.
Wieland selbst sagte im Hinblick auf eine mögliche Anfrage zur taz: „Ohne die Stimmen der Opposition kann ich mir das nicht vorstellen. Es muss ein absolutes Vertrauensverhältnis zu allen Mitgliedern im Untersuchungsausschuss geben.“ Er sei aber auch noch gar nicht gefragt worden. Dass Schwarz-Rot sich einen solchen Ermittler vorstellen kann, scheint indes klar. Ob es ihn auch durchsetzen kann, ist weiter offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“