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Aufarbeitung der Diktatur in ArgentinienLebenslange Haft für Ex-Militärs

Zehn Ex-Militärs werden für Verbrechen der letzten Diktatur zu lebenslanger Haft verurteilt. Damals sollen bis zu 30.000 Menschen verschwunden sein.

Der frühere General Santiago Omar Riveros vor Gericht in Buenos Aires Foto: Enrique Marcarian/reuters

Buenos Aires dpa | In Argentinien sind zehn der Angeklagten in einem Megaprozess für Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der letzten Diktatur (1976-83) zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Weitere neun Ex-Mitglieder der Armee und anderer Sicherheitskräfte bekamen Gefängnisstrafen zwischen 4 und 22 Jahren auferlegt, wie die argentinische Nachrichtenagentur Telam unter Berufung auf ein Gericht im Großraum Buenos Aires am Mittwoch berichtete.

Demnach wurden in mehr als 125 Anhörungen Vergehen gegen mehr als 300 Opfer in der Militärgarnison Campo de Mayo in einem Vorort der Hauptstadt behandelt. Die Militärs ließen bei der Jagd auf Bürger, die sie linker Ideen verdächtigten, nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen bis zu 30.000 Menschen „verschwinden“ und umbringen. In ihrem Plädoyer schätzte Staatsanwältin Gabriela Sosti laut Telam, dass mehr als 6000 Menschen in das Campo de Mayo kamen und die Überlebensrate bei weniger als einem Prozent lag.

Unter den zu lebenslanger Haft Verurteilten ist ein Ex-General, der wegen der sogenannten Todesflüge erst am Montag verurteilt worden war – auch in diesem Fall zu lebenslanger Haft. Bei den „Todesflügen“ wurden Oppositionelle, die etwa in der berüchtigten Marine-Schule ESMA in Buenos Aires und in Campo de Mayo gefangen gehalten wurden, betäubt aus Marineflugzeugen in den La-Plata-Fluss geworfen.

Im größten Prozess der argentinischen Geschichte waren 2017 insgesamt 48 ehemalige Militärs wegen Menschenrechtsverletzungen zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt worden.

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1 Kommentar

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  • In diesem Zusammenhang sei an Elisabeth Käsemann erinnert, die von der Militärdiktaur ermordet wurde: "Die (deutsche) Botschaft wurde am 22. März 1977 über das „Verschwinden“, das heißt die Entführung der aus Tübingen stammenden Elisabeth Käsemann informiert. Die Botschaft erkundigte sich daraufhin bei den argentinischen Behörden, die erklärten, ihnen sei davon nichts bekannt. Damit gab sich die Botschaft zufrieden. Am 2. Juni 1977 meldete eine argentinische Zeitung, sie sei am 24. Mai bei einem Feuergefecht mit Sicherheitskräften erschossen worden. Auch diese Version akzeptierte man. In Wirklichkeit wurde Elisabeth Käsemann über zwei Monate in einem geheimen Gefängnis festgehalten, gefoltert und schließlich ermordet. In dieser Zeit hätte es vermutlich verschiedene Gelegenheiten gegeben, sie zu retten, wie es die US-Regierung im Falle der am gleichen Tag verschleppten US-Bürgerin Diana Houston getan hat. Die Zurückhaltung der Botschaft und des AA wurden von der Diktatur offensichtlich so gedeutet, dass es seitens der Bundesregierung kein größeres Interesse gab, Frau Käsemann zu retten. Dabei war das AA stets gut informiert. Während es gegenüber der Öffentlichkeit von Einzelfällen sprach, wusste man schon im August 1977, dass zu diesem Zeitpunkt 48 Deutsche oder Deutschstämmige verhaftet oder „verschwunden“ waren." (www.ila-web.de/aus...tinische-diktatur)



    Frau Baerbock sollte den Fall aufarbeiten.