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Auf in die „neuen Länder“Westbesuch auf Kruzifix-Safari

Was soll man im Coronasommer machen, wenn Capri und Provence nicht zu haben sind? Genau, man tourt durch die „neuen Länder“.

„Ich hab mich bis zu diesem Gespräch noch nie gefragt, was kreuzmäßig so geht in Ostdeutschland“ Foto: Jürgen Ritter/imago images

J uhu, der Mann und ich hatten Westbesuch. Nette Menschen aus Bayern hielten es im Coronasommer für eine gelungene Idee, einmal die ostdeutschen „neuen Länder“ zu besuchen. Was soll man auch machen, wenn Capri und die Provence nicht zu haben sind. Ostdeutschland – na ja, man muss nehmen, was man kriegen kann.

Nachdem unsere Freunde also eine Woche durch die Uckermark und Vorpommern gestromert waren, machten sie auf dem Heimweg ins Bayerische noch für einen letzten Abend Rast in unserem Brandenburger Habitat. Erholt schauten sie aus. Und ja, sie hatten richtig was erlebt. Waren in klaren Seen geschwommen und durch Buchenwälder gewandert. Waren über top ausgebaute weitgehend leere Radfernwege gekurvt und hatten das ostdeutsche Gastrogewerbe kennengelernt.

Interessanter Erkenntnisgewinn: Im Osten, hatten sie erstaunt festgestellt, sieht man keine Kreuze. Keine kleinen geweißelten Kapellen am Wegesrand. Keine Kreuze an Hausgiebeln, außer natürlich an Kirchen. Kein Kruzifix wie bei ihnen daheim im Münchner Hausdurchgang, an dem ein bräunlich blutender Jesus die jüngsten Hausbewohner auf ihren Lauflernrädern erschreckt.

Die einzigen Kreuze, derer sie bei ihren Erkundungen ansichtig geworden seien, erzählten sie uns, wären die im Straßengraben gewesen. Einfache Holzkonstruktionen, auf deren Querholz viel zu oft die Namen junger VerkehrsteilnehmerInnen gestanden hätten. Abgesehen davon – kein Kreuz nirgends.

Religiosität ist privat

Offen gestanden habe ich mich bis zu diesem Gespräch noch nie gefragt, was kreuzmäßig so geht in Ostdeutschland. Wenn wir unbedingt Kreuze sehen wollen, gehen wir in eine Kirche in unserer Gegend oder wir ziehen eine Bibel aus dem Regal. Religiosität ist komplett privat. Ebenso kleine Gedenkstellen für verunglückte Angehörige – in welcher Form auch immer.

Als unsere Freunde sich tags darauf gen Bayern verabschiedet hatten, ging mir die Kreuzsache nicht aus dem Kopf. Spricht die Unsichtbarkeit dieses christlichen Symbols wieder mal gegen den Osten? Sind wir hier alle gottlos und deshalb ein bisschen rauher in Ton und Umgang? Oder ist es umgekehrt? Ich kam mit mir selbst überein, dass ich die ostdeutsche Kreuzarmut okay finde. Soll doch jedeR nach seiner oder ihrer Fa­sson selig werden, wie es Friedrich zwo Mitte des 18. Jahrhunderts gesagt hat.

Dunnemals hatte der Preußenkönig in Brandenburg die Religionsfreiheit gewährt. Und das hat uns – und vor allem jenen, die wegen ihres Glaubens verfolgt wurden, – nicht geschadet. Um mal im Sprachbild zu bleiben: Weiß Gott nicht geschadet. Wenn ich mich an Wallfahrtskirchen erfreuen möchte, an Heiligenbildern und geweißelten Kapellen an Weggabelungen, komme ich gerne „rüber“ in den Westen. Ich nehme dann die einstige Transitstrecke Richtung München und auf der A9 am Hirschberg hupe ich kurz.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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6 Kommentare

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  • RS
    Ria Sauter

    Sitze in einer bayrischen, genauer fränkischen, Kleinstadt.



    Es ist 21 Uhr und die Glocken läuten lange, sehr lange , zum Abendgebet.



    Nein, ich habe im Osten nichts vermisst!

  • RS
    Ria Sauter

    Bin gerade auf meiner Reise durch "die neuen Länder"😊 fast wieder daheim angekommen. Nein' Kreuze oder gepeinigte' halbnackte Männer an Hausfassaden habe ich nicht vermisst.



    Religion ist Privatsache, schreiben Sie' Frau Maier. Da kann ich Ihnen nur zustimmen. Wäre traumhaft schön,wenn das endlich allgemein verbindlich wäre.



    Stattdessen bauen wir zu unseren Kirchenpalästen noch neue Monster hinzu.



    Soll sich jeder, der das möchte in seinem Zuhause religiöses Material hängen,bauen' hinstellen.



    Der Ostrn ist genau richtig!

  • In Schleswig-Holstein stehen auch nicht gerade viele Kruzifixe (bayerisch: Marterln) in der freien Gegend herum. Das hat nicht viel mit DDR zu tun, sondern vielmehr etwas mit Protestantismus.

    • @Suryo:

      Genau. Deswegen gibt es in den wenigen katholischen Gegenden auf Ex-DDR-Gebiet auch Kreuze, etwa im Eichsfeld oder auch in sorbischen Gemeinden.



      Hat also nicht die DDR abgeschafft, die Kreuze, sondern Luther.

      • @Achim Kniefel:

        Selbst innerhalb Bayerns gibt es Unterschiede. Im historisch armen Niederbayern sind die meisten Wegkreuze bescheiden und aus Holz, während man in der Gegend um den Chiemsee auch schon mal lebensgroße und bunt bemalte Kreuzgruppen, also Jesus plus die zwei bekreuzigten Schächer, plus weinende Maria und Jünger zu ihren Füßen, sieht.

      • @Achim Kniefel:

        So genau wollen wir's doch nicht wissen. Wir interessieren uns nicht. Wir sind kritisch. Bei diesem, äh, wie hieß es noch mal, christlichen Dingens...