piwik no script img

Auf der Sicherheitskonferenz in MünchenPolizeischutz für Cem Özdemir

Der Grünen-Politiker war im selben Hotel untergebracht wie Teile der türkischen Delegation. Die sollen sich über die Gegenwart eines „Terroristen“ beschwert haben.

Hatte eine unheimliche Begegnung der dritten Art in der Hotellobby: Cem Özdemir (Archivbild vom 14.2.2018) Foto: dpa

Berlin rtr/dpa | Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir hat laut Welt am Sonntag auf der Münchner Sicherheitskonferenz nach einer Begegnung mit der türkischen Delegation Polizeischutz erhalten. Der Zeitung zufolge war Özdemir im selben Hotel untergebracht wie das offizielle Begleitpersonal des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim.

Der Grünen-Politiker sei der Delegation am Freitag zufällig in der Hotellobby begegnet. „An ihrem Gesichtsausdruck konnte ich ablesen, dass sie nicht erfreut waren, mich zu sehen“, wird Özdemir zitiert. Das Blatt berichtete unter Berufung auf Polizeibeamte, die Türken hätten sich daraufhin beschwert, dass offensichtlich ein „Terrorist“ im Hotel untergebracht sei.

Özdemir sagte, man bekomme „einen Eindruck, welche Aggressivität von diesem Unsicherheitspersonal wohl in der Türkei ausgeht, wenn sie sich bei uns schon so aufführen“. In Deutschland habe ein solches Auftreten nichts verloren.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu wies die Vorwürfe Özdemirs gegen seine Delegation zurück. „Sie sind nicht wahr, sie sind erfunden“, sagte er am Sonntag vor Journalisten. „Er (Özdemir) lügt.“ Cavusoglu warf dem früheren Grünen-Chef vor, sich damit wichtig tun zu wollen. „Das ist unerhört“, sagte er. „Er verliert Einfluss und wird sogar in seiner eigenen Partei diskriminiert. Ich glaube, er will wieder populär, oder zumindest sichtbarer werden.“ Das sei eine „billige Taktik“. Cavusoglu spielte darauf an, dass Özdemir viele Jahre Parteichef war und nach seinem Rückzug aus diesem Amt auch in der Bundestagsfraktion keine Führungsfunktion mehr bekommen hat.

Die US-Justiz hatte vergangenes Jahr gegen Leibwächter des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Haftbefehle erlassen. Zwölf türkischen Sicherheitskräften wurde vorgeworfen, bei Erdogans Besuch Mitte Mai in Washington gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen zu sein. Anschließend hatte die Bundesregierung die Erwartung geäußert, dass die Beschuldigten nicht zum G20-Gipfel in Hamburg im vergangenen Juli kommen.

In der Vergangenheit hatte Özdemir wiederholt scharfe Kritik an Erdogan geäußert und etwa betont, mit diesem könne es keine EU-Mitgliedschaft der Türkei geben. Die Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel in der Türkei vor einem Jahr hatte in den Beziehungen zwischen beiden Ländern für einen Tiefpunkt gesorgt. Am Freitag war Yücel freigekommen und nach Deutschland zurückgekehrt. Derzeit hält er sich jedoch im Ausland auf.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Ach wie süß. Erkennen die ihre „Terroristen“ jetzt schon an der Brille? Was sagt eigentlich Herr Fielmann dazu?

  • Bei der Münchner Sicherheitskonferenz treffen sich Staats- und Regierungschefs. Was haben Oppositionspolitiker da zu suchen?

    • @DiMa:

      "Bei der Münchner Sicherheitskonferenz treffen sich Staats- und Regierungschefs."

       

      Nein. Da treffen alle, die gern mal Krieg führen wollen.

      • 9G
        98589 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Gute Antwort!

  • Sicherheitsleute sind schon eine Sparte für sich - aber das hier ist mehr als das: Die haben einen normalen Abgeordneten des Bundestages als 'Terroristen' bezeichnet, also als Mensch, der seine politischen Ideen mit blanker Gewalt durchsetzt! Denen würde ich sofort ein Einreiseverbot aussprechen, weil die 1. hier gar nicht befugt sind, ihre Meinung, jenseits der Botschaft oder des Ministers zu äußern, 2. diese Behauptung haltlos ist und allenfalls dokumentiert, wo die Politik der Türkei inzwischen steht.

  • Toll - Leider finde ich den Begriff dieser psychologischen Krankheit nicht gleich.

    Ich nenne solche Angst das Gespenst der Selbstüberlistung, dem die Türken in die Falle gegangen sind?

    Gestern habe ich mir die taz mit dem Titelblatt: "Einer frei und jetzt noch alle anderen Journalisten, die in der Türkei inhaftiert sind" noch drei mal als Sicherungskopie nachgekauft. Dann können wir die Angst des Türkischen Sultans in der Zahl der Namen abzählen.

    Bleibt die Frage: Welche Zahl ist größer: Die o.a. Namen der Wahrheitsträger oder die Zahl der Gästezimmer im Palast des Sultans?

  • In einer normalen Welt hätte man das "Begleitpersonal" rausgeworfen...

  • Oezdemir der Terrorist. Lächerlich.

  • 8G
    81622 (Profil gelöscht)

    Es ist ungeheuerlich, dass ein deutscher Abgeordneter von Erdogans Schergen auf deutschem Boden belästigt, bedroht und beleidigt wird. Was sagt denn der selbsternannte Super-Diplomat Gabriel dazu? Seine türkischen Vertrauensfreunde freuen sich schon auf das nächste Rüstungsgeschäft.

    • @81622 (Profil gelöscht):

      Deutscher Boden ?

      Was ist den das für eine nationalistische Kackscheiße.