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Auf den Kriegsdienst einstimmenAntifa statt Bundeswehr

Timm Kühn
Essay von Timm Kühn

Den „Veteranentag“ brauche es, für „die Demokratie“. Doch wer die wirklich verteidigen will, der sollte lieber bei der Antifa vorbeischauen.

Veranstaltung zum Gedenken an für im Auslandseinsatz gefallene Soldaten der Bundeswehr-Veteranen am Bendlerblock 2017 in Berlin Foto: Christian Nitzsche/picture alliance

D eutschland soll kriegstüchtig werden. Dieses Mantra beten Po­li­ti­ke­r:in­nen nun schon, seit Olaf Scholz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine die „Zeitenwende“ ausgerufen hat. Das Land auf Krieg zu trimmen heißt dabei nicht nur, unzählige Milliarden in die Produktion von Panzern, Drohnen und Munition zu stecken. Auch ein Gesinnungswandel soll her. „Von deutschen Boden darf nie wieder ein Krieg ausgehen“ war gestern, heute soll Deutschland „endlich in dieser Welt Interessen definieren“, wie es Kanzler Friedrich Merz einmal formuliert hat.

Seither wird fleißig über die Wiedereinführung der Wehrpflicht debattiert und die Militarisierung der Gesellschaft vorangetrieben. Auch in Berlin ist das zu spüren. Im Pierburg-Werk im Wedding will Rheinmetall Waffen produzieren. Die Bundeswehr wirbt in den Schulen um Nachwuchs. Und am Sonntag soll auf der Reichstagswiese der erste „Nationale Veteranentag“ mit einem „Bürgerfest“ begangen werden. Offizielles Ziel: Das „Band zwischen Bundeswehr und Gesellschaft stärken“ – also die Entscheidung normalisieren, für Deutschland zu kämpfen, und zu sterben.

Konkret soll ein „Veteranendorf“ errichtet werden. Hier werden wohl Sol­da­t:in­nen und Veteranenverbände den Be­su­che­r:in­nen zwischen Essensständen und Hüpfburgen von Diversität, Kameradschaft und Nervenkitzel bei der Bundeswehr vorschwärmen. Um dem Truppenaufmarsch vor dem größten Symbolgebäude der Demokratie einen möglichst parlamentarischen Anstrich zu geben, soll etwa Bundestagspräsidentin Julia Klöckner kommen.

Proteste gegen den Veteranentag

Unter dem Motto „Wir feiern ihre Kriege nicht“ ruft das Bündnis „No Veteranentag“ um die Initiative Rheinmetall entwaffnen zu einer Demo auf. Los geht es um 14 Uhr am S- und U-Bahnhof Friedrichstraße. „Wir haben wesentlich mehr gemein mit den Menschen, auf die wir schießen sollen, als mit jenen, die uns in die Schützengräben schicken“, heißt es im Aufruf. Die Route führt in die Nähe der Bundeswehr-Fete, wo es ein Konzert von Lena Stöhrfaktor geben wird – und möglicherweise Kontakt mit dem Klassenfeind. Die Kundgebung des provisorischen anarchistischen Antikriegsrats von 13 bis 18 Uhr an der Ebertstraße soll eine Anlaufstelle und ein Sprungbrett zu antimilitaristischen Interventionen auf den Veteranentag bieten. (tk)

Wer davon nicht genug hat, kann die Ausstellung „Wounded – The Legacy of War“ besuchen. Dort zu sehen ist laut Ausstellungsbeschreibung die „beeindruckende Charakterstärke und Tapferkeit“ von verwundeten britischen Sol­da­t:in­nen, die „ohne zu zögern die Prüfung des Krieges bestanden haben“ – heißt: Die in Afghanistan und in den Irak einmarschierten – und die heute „trotz ihrer Beeinträchtigung jeden Tag in Würde weiterleben“.

Begeisterung in liberale und grüne Milieus vorgedrungen

Dass eine solche Veranstaltung nur in linken und linksradikalen Kreisen auf Widerstand stößt, ist kein Zufall. Längst ist die Begeisterung für die Bundeswehr weit in liberale und grüne Milieus vorgedrungen, auch in der taz. Begründet wird der neue Militär-Hype dabei mit der russischen Invasion der Ukraine. Um sich als Demokratie gegen autoritäre Regime wie Russland zu behaupten, müsse man abschrecken und Verteidigungsfähigkeit demonstrieren, heißt es. Der Dienst an der Waffe wird so als Verfassungspatriotismus geframed, als gelebter Antifaschismus.

Große Worte – die bei der Jugend allerdings nur mäßig verfangen. Die Wehrpflicht wird nämlich vor allem von denen gefordert, die nicht von ihr betroffen wären. Laut einer YouGov-Umfrage steigt die Zustimmung zur Wehrpflicht proportional mit dem Alter: Während 75 Prozent der Menschen im Rentenalter die Jugend zum Bund schicken wollen, lehnen die Jugendlichen selbst das mit überwältigender Mehrheit ab. In Deutschland ist es wie überall: Zwischen denen, die den Krieg fordern, und denen, die ihn ausfechten sollen, besteht kaum eine Schnittmenge.

Es ist ja auch paradox: Von der Jugend wird erwartet, sie soll ihre Selbstbestimmung aufgeben, weil ihr sonst die Fremdherrschaft drohe.

Dass diese Logik nicht aufgeht, darauf weist in der öffentlichen Debatte vor allem einer hin: Ole Nymoen. Unermüdlich lässt sich der Kolumnist und Podcaster in Talkshows als Vaterlandsverräter beschimpfen, weil er sagt, dass die Interessen von Herrschenden und Beherrschten nicht identisch sind. Der deutsche Staat ist eben keine Solidargemeinschaft, sagt Nymoen, sondern in erster Linie ein Gewaltapparat, der die Interessen von Staat und Kapital sichert. Für diese zu kämpfen, da sagt Nymoen: „Nein, danke!“ Seinen Pazifismus fasst er so zusammen: „Ich lebe lieber in Unfreiheit, als für diese Freiheit zu sterben.“

Die spannendere Frage

Nun macht es natürlich – trotz aller autoritären Tendenzen auch hierzulande – einen Unterschied, ob man in der Bundesrepublik oder in Putins Russland lebt. Schließlich sind viele der bürgerlichen Freiheiten in harten sozialen Kämpfen errungen worden. Es muss der Linken darum gehen, diese Kämpfe fortzuführen und auszuweiten – statt bereits errungene Erfolge einfach aufzugeben. Insofern lässt sich das Argument der bedrohten Demokratie nicht völlig von der Hand weisen.

Die spannendere Frage ist aber doch: Ist die Bundeswehr der richtige Ort für Menschen, die für die Demokratie kämpfen wollen? Angesichts der zahlreichen Naziskandale in der Bundeswehr – wohl kaum. Und ist ein russischer Einmarsch in Deutschland wirklich die größte Bedrohung für die Demokratie in Deutschland? Wohl auch eher nicht.

Die wirklichen Bedrohungen kommen von innen: Nazis, die ihre politischen Gegner terrorisieren und dafür Waffen horten, die auch aus den Lagern der Bundeswehr stammen. Demokratische Parteien, die sich überbieten, um geflüchtete Menschen zu entrechten. Angriffe auf Grundrechte wie die Rede- und Versammlungsfreiheit aus Gründen der „Staatsräson“. Das Leben, das sich die Menschen nicht mehr leisten können, während die Reichen immer reicher werden. Und so weiter, und so fort.

Die Militarisierung der Gesellschaft ist kein Kampf gegen den Autoritarismus – sie führt zum Autoritarismus. Und der Kampf gegen Faschismus ist kein hypothetisches Zukunftsszenario, er wird bereits heute tagtäglich geführt. Diejenigen, denen es wirklich um die Freiheit und Demokratie geht, sollten lieber mal bei der Antifa vorbeischauen, statt zur Bundeswehr zu gehen.

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Timm Kühn
Redakteur
Textplaner taz Berlin. Schreibt seit 2020 für die taz über soziale Bewegungen, Arbeitskämpfe, Kapitalismus und mehr.
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15 Kommentare

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  • Man muss der Truppe keinen palamentarischen Anstrich verleihen, denn die Bundeswehr ist bereits eine Parlamentsarmee, dass scheint der Autor wohl vergessen zu haben. Der Autor scheint ebenfalls nichts zu berücksichtigen, dass die bösen Rentner ihren Wehrdienst längst geleistet haben und somit von der Jugend auch nichts verlangen, was sie nicht selber bereit sind zu leisten oder bereits geleistet haben.

  • Für den Schutz der Demokratie ist ein Veteranentag völlig überflüssig. Dieser hat in der alten Bundesrepublik völlig ohne solchen Rummel funktioniert.

    Der Veteranentag ist eher etwas für Leute die sich nach der guten, alten Zeit des Hauptmanns von Köpenick sehnen.

    "Dort zu sehen ist laut Ausstellungsbeschreibung die „beeindruckende Charakterstärke und Tapferkeit“ von verwundeten britischen Sol­da­t:in­nen, die „ohne zu zögern die Prüfung des Krieges bestanden haben“ – heißt: Die in Afghanistan und in den Irak einmarschierten – und die heute „trotz ihrer Beeinträchtigung jeden Tag in Würde weiterleben“."

    Ist das ernst gemeint? Der Überfall auf den Irak war völkerrechtswidrig. Daran war und ist nichts beeindruckend. Charakterstärke wäre gewesen, nicht mitzumachen.

  • Das ist ein sehr verworrener, ideologisch getriebener Artikel.



    Die Bundeswehr ist eine staatliche Institution, die dem Schutz der gesamten deutschen Bevölkerung dient. Im besten Fall nur durch Abschreckung, im schlimmsten Fall durch die Abwehr eines Feindes im Kampfeinsatz. Sie schützt die gesamte Bevölkerung, egal ob alt oder jung, egal ob links oder rechts und schützt unsere demokratischen Werte (die sicher verbesserbar sind, aber wir haben zumindest Werte, die es zu verteidigen gilt).



    Also gehe ich auchl lieber zur Bundeswehr als bei der Antifa vorbeizuschauen. Es handelt sich dabei um eine Gruppierung, die ihre ideologisch getriebenen Ziele auch durchaus mit Gewalt gegen Andersdenkende durchzusetzen versucht (ebenso wie rechtsgerichtete Idioten) und sicher nicht in der Mitte der Gesellschaft steht bzw nicht von der demokratischen Mehrheit unterstützt und gewünscht wird.



    Und noch kurz zu Ole Nymoen und seinem tollen Spruch. Er kann auch in Unfreiheit leben und dort sterben, wenn er vom dortigen Militär eingezogen wird, um für diese "Unfreiheit" zu kämpfen.

    • @WederLinksNochRechts:

      "Also gehe ich auchl lieber zur Bundeswehr als bei der Antifa vorbeizuschauen. Es handelt sich dabei um eine Gruppierung, die ihre ideologisch getriebenen Ziele auch durchaus mit Gewalt gegen Andersdenkende durchzusetzen versucht..."

      Unter dem Begriff Antifa fallen zwar auch gewalttätige Gruppen, die z.B. sogar ins Ausland fahren, um Leute zu verprügeln. Zur Antifa gehören aber auch Rentner, die die Verbrechen der Nazis nicht vergessen haben und völlig friedlich die Erinnerung wach halten. Ist eben ein sehr, sehr breites Feld. Eigentlich zählt jeder, der wirklich gegen Nazis ist, zur Antifa.

  • Ich finde es egoistisch zu sagen dass wir die Bundeswehr nur brauchen, falls Russland in Deutschland einmarschiert. Also hat der Autor schon die Nato und Europa aufgegeben oder nie verstanden? Es kommt auf Solidarität an. Wo die Demokratie angegriffen wird, muss sie verteidigt werden. Gleichgültig ob in Deutschland oder Lettland.

  • Ein Veteranendorf mit psychisch und körperlich versehrten Ex-Soldaten, wäre ein gutes Mittel die Volksfeststimmung zu unterbinden.



    Gut, dass die Jugend größtenteils nicht bereit ist, diesem Weg in die Schlachten folgen zu wollen!

  • „Ich lebe lieber in Unfreiheit, als für diese Freiheit zu sterben.“ Im nächsten Absatz fordert der Autor dann die in Deutschland errungenen Freiheiten zu verteidigen. Wasch mich, aber mach mich nicht nass.

  • "Die Wehrpflicht wird nämlich vor allem von denen gefordert, die nicht von ihr betroffen wären." Diesen Satz kann man so nicht stehen lassen: All jene hatten ihren Wehrdienst schon geleistet - oder eben verweigert und stattdessen Zivildienst gemacht, oder wesentlich härteren Wehrdienst in der NVA leisten müssen. (2011 ist die Wehrpflicht erst ausgesetzt worden)



    Die Debatte erinnert mich ein bisschen an die der Impfpflicht. Der Dienst wird nicht als Dienst an die Gesellschaft, also an uns alle, verstanden, sondern leider geglaubt, man solle es für den Staat, das Kapital, Lauterbach oder die Boomer tun.

  • "Es passt nicht immer Alles zu Allem, wie mein alter Philosophielehrer zu sagen pflegte.



    Der Schreiber des Artikels vermischt hier Vieles, Argumente sind hingegen rar.



    Der Ukrainekrieg wird als Etwas beschrieben, was uns gar nicht betrifft.



    Rein finanziell betrachtet, ist ein Teil des Verteidigungsetats bereits reine Ukraine Hilfe. In diesem Jahr 9 Mrd. Euro, die nicht in die Bundeswehr, sondern in die ukrainische Armee fließen.



    Der Autor des Artikels ignoriert ebenfalls, dass trump sich schon mehrfach dazu äußerte, Nato-Partnern die Unterstützung zu verweigern ( Prozente) oder gar ihre Länder zu okkupieren ( Kanada, Grönland).



    Verteidigung scheint hier auch innerhalb der Nato angebracht.



    Die Abbildung der Gesamtbevölkerung in der Bundeswehr würde eben durch den Wehrdienst hergestellt. Nationale Tendenzen sind der Tatsache geschuldet, dass hier eben keine automatische Kontrolle durch Personen anderer Gesinnung stattfindet.



    Der Vorwurf, es seien vor Allem Ältere, die eine Rückkehr zum Wehrdienst fordern und



    " die seien ja nicht betroffen" , ist ebenfalls falsch.



    Diese älteren Generationen haben Ihren Wehrdienst nämlich bereits geleistet.

  • Schon interessant, wieviele Menschen hier in Deutschland den Antifaschismus sowie deren Mitglieder kritisieren.

    Nach dem 3. Reich sollte das zum zentralen Bestandteil des Lebens werden. Stattdessen gefühlt nicht mal müde 10% Akzeptanz. Sagt vieles über unsere Gesellschaft aus.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Sehe ich anders.



      Aber wer, als hart arbeitender Arbeitnehmer, möchte sich einer Organisation anschließen, die Autos, eben jener hart arbeitender Menschen, anzündet?



      Wenn man sich etwas vom hart erarbeiteten Geld leistet, will man es nicht sinnlos zerstört wissen,.



      Ist die Antifa zu feige, gegen die schlimmen Politiker oder das System vorzugehen, dass sie sich nun an schwächeren vergreifen?



      War das nicht eines der Probleme mit den Nazis?



      Mittlerweile empfinden normale Bürger die Antifa eher als Terrororganisation.



      Ich habe etliche dieser Feuer in Berlin-Kreizberg gelöscht, weiß aldo eovon ich rede. Und ich wurde auch schon mit Pflastersteinen aus Häusern beschmissen, weil unser Rettungswagen Blaulicht hat.



      Gegen das System ok, aber NICHT gegen Retter, die ALLEN helfen, ja auch Antifas!



      Sorry, aber bei einer Antifa, die so handelt, fällt die Wahl nicht schwer.

      • @Mc Nair:

        Antifa ist jeder der gegen Faschismus ist. Wer Antifa als Terrororganisation bezeichnet steht selbst schon ziemlich weit rechts von wo der meiste Terror herkommt. Die zünden keine Autos an, sondern Menschen.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Also ich bin mit unserer Gesellschaft ganz zufrieden. Mal ausgenommen von den etwas mehr als 20 %, die meinen, ihre Stimme den rechten Idioten geben zu müssen und den anderen 10%, die ihre Stimme linken Ideologen geben.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Antifaschismus und Antifa sind erstens unterschiedliche Dinge und zweitens setzt echter Antifaschismus Kritikfähig voraus. Ansonsten kannst du das Anti- auch gleich streichen.

  • Immer diese scheinheiligen Aktionen alla Veteranentag, vielleicht bin ich schon zu lange auf der Welt (insbesondere schon zu lange Deutscher), als dass das bei mir nicht instinktiv Belustigung auslösen würde.



    Wusstet ihr das man Soldaten in Deutschland offiziell als Mörder bezeichnen darf? Das es dazu ein Gerichtsurteil gibt war damals eines der ersten Dinge die ich im Wehrdienst gelernt hab.



    Die Tatsache das es so ein Urteil und die damit einhergehende Berechtigung bezüglich der Betrachtung der Gesellschaft auf Soldaten gibt (und das auch schon seit ~80 Jahren), kriegt man doch nicht mit nem Veteranentag aus der Welt. Völlig lächerlich...!



    Und das ist übrigens auch gut so, wer im passenden Alter ist, dem kann ich nur sehr nahelegen vom Bund soweit weg zu bleiben wie es nur geht!