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Auf dem Weg zur grünen NullEinmal Crashkurs, einmal Kuscheln

Thinktanks fordern von der nächsten Regierung rasche und harte Schnitte fürs Klimaziel. Die CDU will dafür einen „Turbo“, aber niemandem wehtun.

Die Thinktanks fordern auch mehr Solarzellen auf Deutschlands Dächern Foto: Paul Langrock

Berlin taz | Vier Wochen vor der Bundestagswahl ist völlig unsicher, wer demnächst das Land regiert – aber was diese Regierung tun muss, um ihre gesetzlich festgelegten Klimaziele zu erreichen, ist ziemlich klar: Schneller die erneuerbaren Energien ausbauen und raus aus der Kohleverstromung, den Verbrennungsmotoren und Ölheizungen; mehr Geld für Gebäudesanierungen und die E-Mobilität, eine andere Finanzierung der Energiewende, kurz: die „Anstregnungen zum Klimaschutz verdreifachen“.

Das schlagen die Thinktanks Agora Energie- und Verkehrswende und die Stiftung Klimaneutraltität vor – aber irgendwie auch die CDU. Beide legten am Montag Konzepte vor, wie es nach der Wahl mit der Klimapolitik weitergehen soll.

Klimaschutz verdreifachen – „egal, wer regiert“

Die Thinktanks fordern sehr konkret und kurzfristig mit einem 100-Tage-Crashkurs, das „größte Klimaschutzprogramm in der Geschichte Deutschlands, egal wer regiert“, wie es der Chef der Agora Energiewende Patrick Graichen formuliert. An 22 Punkten haben die Stiftungen detailliert zusammengetragen, an welchen Rädchen eine neue Regierung sofort nach dem Amtseid drehen sollte, damit Deutschland wenigstens in zwei oder drei Jahren die CO2-Reduktionen aus dem Klimaschutzgesetz einhalten kann.

Das bedeutet: Dreimal soviel Kapazitäten wie bisher für Öko-Strom sollen ausgeschrieben und gebaut werden, Planungsverfahren für Anlagen und Leitungen reduziert werden. Die Kohleverstromung soll 2030 enden, der CO2-Preis im europäischen Emissionshandel einen Mindestpreis bekommen und der nationale CO2-Preis für Wärme und Sprit schneller steigen als bisher geplant, nämlich auf 60 Euro schon 2023.

Dafür soll die EEG-Umlage gesenkt und später abgeschafft werden, die Regierung müsse unter anderem jährlich 30 Milliarden Euro für Klima-Investitionen in den Haushalt einstellen, eine große Offensive für Gebäudesanierung und neue Heizungen starten und dabei neue Öl- und Gasheizungen ab 2024 verbieten. Außerdem den Bundesverkehrswegeplan einem „Klimastresstest“ unterziehen und umweltfeindliche Subventionen streichen.

Die 22 Punkte beziehen sich auf ein ähnliches Papier mit „50 Empfehlungen für die 20 Legislaturperiode“, das die Thinktanks bereits im Juni vorgestellt hatten – und es ähnelt in weiten Teilen auch dem „Klimaschutz-Sofortprogramm“, mit dem die Grünen in den Wahlkampf ziehen.

Nötig sind nach dem Papier von Agora/Stiftung Klimaneutralität auch staatliche Hilfen und Gesetze für den doppelt so großen Aufbau der Wasserstofftechnik und für Hilfen auf dem Weg zu Klimaneutralität, „weil der Industriestandort Deutschland wettbewerbsfähig bleiben soll“, so Rainer Baake, Chef der „Stiftung Klimaneutralität“.

Die Vorschläge benennen konkret, welche Gesetze und Verordnungen wie angepasst werden müssten, um schnell Maßnahmen Richtung Klimaneutralität auf den Weg zu bringen. Sein Kollege Graichen betonte, dass diese Planungen nur konkretisieren würden, was das Klimaschutzgesetz der jetzigen Regierung vorschreibe: „Das sind hier keine NGO-Forderungen. Das ist die große Koalition ernstgenommen.“

Den CDU-Ideen fehlen konkrete Daten

Deren wichtigster Vertreter hatte am Montag ebenfalls Klima-Tag. Nach viel Kritik an seiner Klima- und Umweltpolitik stellte CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet mit einem dreiköpfigen Team 15 Vorschläge vor, um einen „Turbo für die Erneuerbaren“ zu zünden. Die Ideen decken sich teilweise mit den Forderungen der drei Thinktanks, sind aber grundsätzlich vorsichtiger und weniger detailliert.

Immerhin fordert auch die Union einen Zubau von 10 Gigawatt jährlich an Stromerzeugung aus der Sonne, sie will auf alle Dächern Solaranlagen ermöglichen und mit zinslosen Krediten fördern – wo die Thinktanks eine Solarpflicht für Neubauen und Gewerbe fordern. Auch wollen jeweils Union und Thinktanks mindestens zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft reservieren und beide die EEG-Umlage abschaffen und den Strompreis senken. Viele Vorschläge und Vorstöße in diese Richtung waren in der Vergangenheit allerdings an der CDU im Bundestag gescheitert.

Mit seinem Papier präsentierte Laschet gleich noch die Bundestagsabgeordneten Andreas Jung und Thomas Heilmann sowie Wiebke Winter von der „Klimaunion“ als sein Expert*innenteam. Deren Ideen fehlen ansonsten aber konkrete Daten und Ausbaupfade. Die konservativen Klimaschützer betonen lieber mehr Geld für Forschung, und sehen den Bund als Klima-Vorreiter bei seinen Immobilien.

Sie wollen mehr Handwerker als „Klimawerker“, um überhaupt Solaranlagen und E-Ladesäulen zu bauen, und mehr Akzeptanz für Windanlagen erreichen durch verdichtete Windparks und „Repowering“, also den Ersatz alter Windräder durch neue.

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3 Kommentare

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  • Mehr Geld in die Forschung ist eine "Nebelkerze" der Union, da zum einen bereits genug ausgereifte Technik vorhanden ist, anwendungsreife Forschungsentwicklungen grundsätzlich noch einige Jahre benötigen bis der Verbraucher sie zur Anwendung bringen kann.



    Diese dafür benötigte Zeit hat die Union in den letzten 20 Jahren v.a. durch das herausragende Wirken von Hrn. Altmaier durch seine unterschiedlichen "Bremstraegien" verspielt.



    Der Bund als Vorreiter bei seinen Immobilien - frägt sich nur ob die Bauverwaltung schneller sein wird als sie ist?



    Die einzig verlässlichen Akteure für den Klimaschutz unter den zur Wahl stehenden Politikern sind vermutlich eh nur die Grünen.



    Daher gilt es auch bei der Entscheidung des Kreuzchens nicht kleckern sondern Klotzen und trotz möglicher Vorbehalte bei so manchem Thema den Grünen die Unterstützung zu geben; sonst wird das für das Klima, unsere Wirtschaft und der Sicherung unseres Wohlstands nichts werden.

    • @Sonnenhaus:

      Die Scientists for Future sehen das auch so, dass im Bereich der Energieerzeugung die Technologie für eine schnelle Umstellung praktisch fertig ist:

      info-de.scientists...konomisch-sinnvoll

      Auch in anderen Bereichen weiss man sehr gut, was man technisch machen kann - nicht mit Elfenstaub-Märchen-Technologie, sondern den Dingen die es gibt, die funktionieren, und die ökonomisch sind. Das heißt natürlich nicht, dass alle Probleme gelöst sind, aber eine wirkungsvolle CO2-Steuer dürfte viel weitere Kreativität entfesseln.



      Z.B. werden in der industriellen Fertigung vielfach Druckluftsysteme gebraucht, aber Elektromotoren sind praktisch immer energieeffizienter, und zwar so sehr, dass es sich auf die Kosten signifikant auswirkt. Da braucht es nur einen kleinen ökonomischen Impuls, um die Umstellung die eh schon läuft, rasant zu beschleunigen.

  • Eine der Kernforderungen von den Lobbyisten der Agora und Recht kritiklos von den großen Parteien übernommen ist die Forderung das "Planungsverfahren für Anlagen und Leitungen reduziert werden."



    Was nicht weniger Heisst als eine weitere entfesselung der Wirtschaft und damit einhergehend eine Schwächung von Bürgerrechten und Belangen des Natur- und Landschaftschutzes. Der zusätzliche Flächenverbrauch und die damit einhergehende Flächenversiegelung wird gut verdrängt.



    Ein schöner Nebeneffekt ist das die verkürzten Planungsverfahren , durch abgeschwächte UVP-prüfungen und Einschränkung der klagerechte von Umweltverbänden, dann auch bei anderen Projekten zum Beispiel Verkehrsprojekten angewendet werden können.

    Wirklich gespannt bin ich auf neue Programme für die Erhöhung der GebäudeEffizienz und wie man die Immobilien Besitzer motiviert PV aufs Dach zu klatschen, v.a. bei zweiteren ist sicherlich die entbürokratisierung ein gutes Mittel der Wahl.