Attentat auf Eritreer: Rassismus als Triebfeder
Ein 26-jähriger Eritreer wurde in Hessen niedergeschossen. Im Anschluss tötete der Angreifer sich selbst. Das Opfer ist inzwischen außer Lebensgefahr.
![Kamermann filmt eine Straße, den Tatort Kamermann filmt eine Straße, den Tatort](https://taz.de/picture/3571793/14/23435630.jpeg)
Nach Erkenntnissen der Behörden hatte ein 55-jähriger deutscher Staatsbürger am Montag gegen Mittag einen 26-jährigen Eritreer mit einem Bauchschuss niedergestreckt. Die Ermittler gehen inzwischen „ganz klar von einem fremdenfeindlichen Motiv“ aus. Das Opfer habe den Anschlag schwer verletzt überlebt, der Täter hat sich anschließend selbst erschossen. Das Opfer sei inzwischen außer Lebensgefahr, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Alexander Badle.
Der Tatort liegt am Rande der kleinen Stadt, zwischen Bahndamm und Autobahn. Nach taz-Informationen befindet sich in der gleichen Straße ein Aus- und Weiterbildungszentrum, das Sprachkurse für Ausländer anbietet. Der 26-Jährige besuchte dort Kurse.
Nach den bisherigen Erkenntnissen der Ermittler hat der mutmaßliche Todesschütze am Montag gegen 13 Uhr aus dem Auto mit einer Pistole, Kaliber 9 Millimeter, völlig überraschend auf den jungen Mann gezielt und ihm in den Bauch geschossen.
Auswahl wegen Hautfarbe
Täter und Opfer hatten bis zu diesem Zeitpunkt offenbar nichts miteinander zu tun. Der 55-Jährige habe das Opfer danach aufgrund seiner schwarzen Hautfarbe ausgewählt: „Zur falschen Zeit am falschen Ort“ sei der junge Mann ins Fadenkreuz eines fremdenfeindlichen Schützen geraten. Für einen rechtsextremistischen Hintergrund oder dafür, dass der Mann „ideologisch oder politisch eingebunden“ war, gebe es bislang keine Hinweise, so Sprecher Badle.
Bei der sofort ausgelösten Fahndung wurde drei Stunden später im nahen Biebergemünd der mutmaßliche Täter in seinem abgestellten Fahrzeug gefunden. Mit einem Kopfschuss einer Pistole, Kaliber 45, habe er sich selbst gerichtet. Noch am Fundort seines Autos sei er verstorben.
Mehrere Schusswaffen, alle legal
Mit „Rücksicht auf die postmortalen Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen“ wollte die GStA nicht viel zu dem Mann sagen. Nur so viel: In seiner Wohnung fand die Polizei drei weitere Waffen, zwei Langwaffen und eine halbautomatische Pistole. Alle Waffen, auch die beiden Pistolen, die er bei seinem Mordanschlag und seinem Selbstmord eingesetzt habe, seien legal erworben.
Die Frage, ob er Jäger oder Polizist gewesen sei, verneinte der Sprecher. Weshalb die Behörde von einem „fremdenfeindlichen Motiv“ spricht, wollte er ebenfalls nicht sagen, sprach aber von „ganz klaren Hinweisen“. Bei der Durchsuchung der Wohnung hatte die Polizei auch einen Abschiedsbrief gefunden.
Bei der improvisierten Pressekonferenz vor dem Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hob Badle ausdrücklich die Bedeutung der Tatzeugen hervor. Nur weil sie schnell und besonnen gehandelt hätten, habe das Opfer überleben können. „Ein Bauchdurchschuss ist eine lebensbedrohliche Verletzung“, sagte Badle. Nur dank der schnellen Notoperation habe das Leben des jungen Mannes gerettet werden können.
Die Verantwortlichen der Stadt reagierten bestürzt auf den Mordanschlag. Unter der Überschrift „Kein Platz für Rassismus“ riefen Stadtverordnetenvorsteher Gerhard Koch, Bürgermeister Andreas Weiher und Landrat Thorsten Stolz für Dienstagabend zu einer Mahnwache am Tatort in der Industriestraße auf.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau