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Attacken auf IS in LibyenSchlacht um Sirte

Die Einheitsregierung feiert überraschende militärische Erfolge gegen den „Islamischen Staat“. Doch noch ist der IS nicht besiegt.

Kampfpause eines Milizionärs beim Vormarsch auf Sirte Foto: reuters

Kairo taz | Die Schlacht um die IS-Hochburg Sirte ist in vollem Gange. Der Ausgang dieser Schlacht entscheidet darüber, wie die Dschihadisten des „Islamischen Staates“ in dem nordafrikanischen Land in Zukunft aufgestellt sein werden. Sirte galt bisher als der wichtigste Ort, der vom IS außerhalb Syriens und des Irak kon­trolliert wurde. Noch vor wenigen Monaten hatte sich der IS in Libyen, einen Katzensprung von Europa entfernt, immer mehr ausgebreitet.

Doch nun scheint sich das Blatt zu wenden. Milizen aus der westlibyschen Stadt Misrata, die im Namen der neuen, von der UNO unterstützen Einheitsregierung in Tripolis kämpfen, sollen in den Stadtkern Sirtes eingedrungen sein. Von der östlichen Seite kämpft sich eine Privatmiliz, die eigentlich für die Sicherung der Ölterminals zuständig ist, ebenfalls zu der Stadt vor.

Dass dieser zusammengewürfelte Haufen so schnelle militärische Erfolge gegen den IS feiert, scheint darauf hinzuweisen, dass die angebliche Zahl von 6.000 IS-Kämpfern in Sirte übertrieben war und dass der IS in Sirte militärisch wesentlich schwächer ist als angenommen. Das würde aber kein gutes Licht auf westliche Geheimdienste werfen, die auch die Einheitsregierung mit Informationen versorgen. Es könnte aber auch sein, dass ein Teil der IS-Dschihadisten abgetaucht ist, um an einem anderen Ort wieder aufzutauchen.

Das wäre dann ein taktischer Rückzug, um an anderer Stelle zuzuschlagen. Eine Taktik, für die der IS in Syrien und im Irak bekannt ist. Möglich ist auch, dass ein Teil der IS-Kämpfer noch in Sirte eingeschlossen ist, mit dem Rücken zum Meer. In diesem Fall würden noch heftige Kämpfe bevorstehen.

Fällt Sirte, könnte mehr Terror folgen

Sicher ist: Wird die Stadt Sirte erobert, bedeutet das zwar ein Schwächung, aber nicht zwingend das Ende des IS in Libyen, der auch in anderen Orten des Landes eine wenngleich schwächere Präsenz hat. Denkbar ist auch, dass sich der IS auf Terroranschläge verlegt, beispielsweise in Tripolis selbst, wo die Sicherheit der neuen, UN-gestützten Einheitsregierung so wenig gewährleistet ist, dass deren Ministerpräsident Fajes al-Sarradsch bis heute von einer dortigen Marinebasis regiert, auch weil er den Milizen rund um Tripolis nicht trauen kann.

Das gilt auch für die zwei Milizen aus der westlibyschen Stadt Misrata, die zumindest im Moment in Sirte gegen den IS kämpfen. Wie lange deren Loyalität anhält, weiß keiner. Denn der Kampf gegen den IS findet in einer höchstkomplizierten politischen Gemengelage statt. Seit März gibt es die von der UNO gestützte Einheitsregierung, die nach und nach versucht, im Land Fuß zu fassen. Ein ­politischer Kampf, der noch lange nicht ausgestanden ist. Denn de facto, gibt es noch mindesten zwei weitere große Machtzentren im Land, in dem unübersichtlichen Geflecht von Milizen, Stämmen und Lokalfürsten. Manche sprechen gar davon, dass es derzeit im Land eigentlich drei Regierungen gibt.

Der Kampf gegen den IS findet in einer hochkomplexen Gemengelage statt

Die besagte Einheitsregierung in Tripolis hat selbst in der eigenen Stadt noch mit Resten der vorherigen Machthaber des einstigen Parlaments in Tripolis zu kämpfen, die ihre Macht immer noch nicht abgeben wollen. Der größte Stolperstein ist allerdings eine weitere Regierung in der ostlibyschen Stadt Tobruk mit General Chalifa Haftar, dem selbsternannten Retter Libyens, an der Spitze. Auch die ist nicht bereit, ihre Kompetenzen, vor allem die militärischen, an die neue Einheitsregierung abzugeben.

Alle Hoffnungen bei der Einheitsregierung

Das politische Gerangel, wer denn nun die legitime Regierung sei, ist also noch nicht vorbei. Nur eines ist klar: International besitzt nur die Einheitsregierung in Tripolis Legitimität, die sich aber noch nicht überall im Land durchgesetzt hat. Zumindest besteht die Hoffnung, dass die militärischen Erfolge gegen den IS die Einheitsregierung auch im Machtkampf innerhalb des Landes stärken.

Das wäre dann der Fall, wenn die heute in ihrem Namen kämpfenden Milizen der Einheitsregierung die Stange halten und sich die Milizen nicht wieder selbstständig machen. Und wenn die Erfolge der Einheitsregierung in Tripolis dazu führen, dass die rivalisierende Regierung in Tobruk Unterstützung verliert und ihre Kompetenzen an Tripolis abgibt.

Das sind bei weitem zu viele „Wenns“, um jetzt schon den Erfolg der Einheitsregierung zu feiern, den gerade die Europäische Union so sehr herbeisehnt. Europa setzt alle Hoffnungen auf diese Einheitsregierung, die nicht nur endlich dem Chaos im Land ein Ende bereiten soll, sondern auch den Flüchtlingsstrom über das Mittelmeer stoppen soll.

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