Atomstreit zwischen Iran und USA: Leise Hoffnung auf Deeskalation
In Wien beraten ab Dienstag die Vertragsstaaten zur Rückkehr des Nuklearabkommens. Weitere Konfrontation könnte Hardlinern im Iran nützen.
Seit diesem Ausstieg hatte die Trump-Administration eine Strategie „massiven Drucks“ gegen Teheran verfolgt mit neuen, teils völkerrechtswidrigen Sanktionen nicht nur gegen Iran selber, sondern auch gegen Unternehmen und Banken in Drittstaaten in Europa und anderen Weltregionen, um diese zur Aufgabe jeglicher Wirtschaftsbeziehungen zu Iran zu zwingen. Iran hatte das Abkommen in den ersten drei Jahren ab Juli 2015 penibel eingehalten. Das bestätigten sowohl die IAEO in ihren regelmäßigen Überwachungsberichten wie auch Trumps Vorgänger Barack Obama alle drei Monate gegenüber dem Kongress in Washington.
Doch nachdem die verbliebenen fünf Vertragsstaaten kaum etwas unternahmen gegen die US-Sanktionen und zur Kompensation ihrer verheerenden Auswirkungen auf die iranische Wirtschaft, begann die Führung in Teheran 2019 mit schrittweisen Verletzungen des Abkommens. Die bislang letzten Verstöße beschloss das von konservativen Hardlinern beherrschte Parlament in Teheran mit stillschweigender Billigung von Revolutionsführer Ayatollah Ali Chamenei, aber gegen den ausdrücklichen Willen von Präsident Hassan Ruhani und Außenminister Mohammed Sarif. Beide betonen immer wieder, dass sie an dem Nuklearabkommen festhalten wollen.
Joe Biden verkündete gleich nach seinem Wahlsieg im November letzten Jahres die grundsätzliche Bereitschaft seiner Regierung zur Rückkehr in das Abkommen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass Iran „zuvor sämtliche Vertragsverstöße rückgängig macht“. Vertreter der iranischen Führung forderten hingegen, dass die USA zunächst „sämtliche Sanktionen“ aufheben. Zuvor werde es auch „keine Verhandlungen mit den USA geben“.
Maximalpositionen aufgegeben
Das Treffen in Wien ist ein Indiz dafür, dass beide Seiten ihre Maximalpositionen aufgegeben haben, und dass die Frage, wer den ersten Schritt macht, nicht mehr als Blockade im Raum steht. Die Biden-Administration sei bereit zu Gesprächen über eine „gegenseitige Rückkehr“ der USA und Irans in das Nuklearabkommen, erklärte das Weiße Haus am Freitag. Es gibt bereits Ideen für parallele, beziehungsweise in ihrer Abfolge miteinander abgesprochene Schritte.
Der renommierte Rüstungskontrollexperte Professor Götz Neuneck vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik schlug gemeinsam mit Ex-Bundesaußenminister Sigmar Gabriel in einem Betrag für den Tagesspiegel vom Samstag vor, die USA könnten zunächst die „sekundären Sanktionen“ gegen Firmen und Banken von Drittländern aufheben sowie die Sanktionen, die derzeit die Lieferung von Medikamenten und medizinischem Material nach Iran verhindern. Letzteres sei „vor allem in Zeiten der Corona-Pandemie von hervorragender Bedeutung“.
Zudem „könnte ein kleiner Teil der eingefrorenen Konten des Iran aus dem Ölgeschäft freigegeben werden“. Iran müsse „im Gegenzug beispielsweise Vertragsverletzungen wie die Entwicklung neuer Zentrifugen stoppen“ oder die in den letzten Monaten auf bis zu 20 Prozent hochgefahrene Anreicherung von Uran wieder auf die in dem Nuklearabkommen erlaubten „3,7 Prozent begrenzen“.
Abkommen ist erst der Anfang
Doch selbst wenn durch derartige Schritte der USA und Irans schließlich die vollständige Rückkehr beider Seiten zu dem bestehenden Nuklearabkommen erreicht werden sollten, bleibt ein Problem: Die Biden-Administration will auch ein Abkommen mit Teheran zur Begrenzung der konventionellen Raketenrüstung des Landes sowie zur Eindämmung der in Washington als „destabilisierend“ kritisierten Rolle Teherans in der Region etwa bei der Unterstützung des syrischen Regimes, der Hisbollah im Libanon oder der Hamas im Gazastreifen.
Unterstützung finden diese Forderungen bei den Regierungen in Berlin, Paris und London. Zwar besteht Präsident Biden im Unterschied zu seinem Vorgänger Trump nicht mehr darauf, entsprechende Vereinbarungen in das bestehende Nuklearabkommen aufzunehmen. Aber auch zu Verhandlungen über neue, separate Vereinbarungen mit Restriktionen, die lediglich für Iran gelten würden, gibt es in Teheran bislang keine Bereitschaft.
Zu Begrenzungen der eigenen Raketenrüstung wäre man durchaus bereit, erklären iranische Diplomaten – allerdings nur im Rahmen einer multilateralen Rüstungskontrollvereinbarung, an der auch andere Staaten der Region wie Saudi-Arabien, Israel, die Türkei oder Ägypten beteiligt sein müssten.
Kritik an der „destabilisierenden“ Rolle Irans in der Region oder gar der in den letzten Jahren von den Regierungen in Washington, Tel Aviv und Riad häufig erhobene Vorwurf, Iran sei „der größte staatliche Sponsor des globalen islamistischen Terrorismus“, wird von offiziellen iranischen Gesprächspartnern gekontert mit Verweis auf die massive Unterstützung, die Al Kaida, der „Islamische Staat“ und andere sunnitische Terrororganisationen in den letzten drei Jahrzehnten von den saudischen Wahhabiten sowie von den Regierungen in Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten erhalten haben und weiterhin erhalten.
Konfrontation könnte Hardlinern nützen
Die politische und militärische Unterstützung dieser allesamt undemokratischen Regimes durch demokratische Staaten des Westens macht deren Kritik an der Rolle Irans in der Wahrnehmung iranischer Offizieller völlig unglaubwürdig. Dasselbe gilt für die Kritik westlicher Regierungen an den massiven Menschenrechtsverstößen des iranischen Regimes gegen die eigene Bevölkerung.
Die Zeit für eine Deeskalation der US-iranischen Beziehungen und zur Rettung des Nuklearabkommens drängt. Eine anhaltende oder sogar noch weiter eskalierte Konfrontation würde – so wie auch immer zuvor in dem jetzt seit fast 20 Jahren schwelenden Konflikt um das iranische Nuklearprogramm – den Hardlinern in Teheran in die Hände spielen und die Gefahr erhöhen, dass einer der Ihren – möglicherweise sogar der Kandidat der besonders US-feindlichen Revolutionären Garden – die Präsidentschaftswahl am 18. Juni gewinnt.
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