Atomreaktor „Tihange 2“ in Belgien: Neue Risse in AKW entdeckt
Seit Jahren laufen Atomkraftgegner Sturm gegen die belgischen Meiler in Tihange. Nun wurden bei einer neuen Untersuchung wieder Risse entdeckt.
dpa | Im belgischen Atomreaktor Tihange 2 nahe der deutschen Grenze sind bei Kontrollen weitere Risse entdeckt worden. Im Hochdruckkessel fanden Experten mittels Ultraschall 70 Risse mehr als bei der vorigen Inspektion 2014, wie es in einer Antwort des belgischen Innenministers Jan Jambon auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen heißt. Die Sicherheit des Reaktors sei damit in keiner Weise infrage gestellt, erklärte Jambon demnach nach Medienberichten vom Freitagabend.
Die 70 zusätzlichen Risse habe man entdeckt, weil die Kamera anders positioniert worden sei, erklärte Jambon nach Angaben der Nachrichtenagentur Belga. Einige frühere Hinweise würden dem Minister zufolge nach der neuen Kontrolle hingegen nicht mehr als Schäden eingestuft. Das Ergebnis der Prüfung insgesamt habe dazu geführt, dass die belgische Atomaufsicht keine Einwände gegen ein Wiederanfahren des Reaktors erhoben habe.
Atomkraftgegner in Belgien und im nur 65 Kilometer Luftlinie entfernten Deutschland kritisieren den Betrieb des Kernkraftwerks bei Huy hingehen seit Jahren als unsicher. Die Grünen-Bundesvorsitzende Simone Peter sprach am Samstag von einer „Laissez-faire-Mentalität europäischer Atombehörden zu Lasten der Sicherheit“. Es sei nicht länger hinnehmbar, dass „überalterte, störanfällige Atom-Schrottmeiler in Grenznähe“, wie Tihange und Doel in Belgien oder Fessenheim und Cattenom in Frankreich, immer mehr ganze Großregionen gefährdeten.
Über 3.000 Hinweise auf Schäden
Die Grünen-Vorsitzende in Nordrhein-Westfalen, Mona Neubaur, forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Eingreifen auf: „Zum Schutz der Bevölkerung in NRW muss sie ihre Umweltministerin anweisen, sofort die Lieferung von Brennelementen aus Deutschland nach Tihange zu stoppen und mit der belgischen Regierung über Wege für die Abschaltung der Atomkraftwerke verhandeln.“
Die Atomaufsicht hatte Belga zufolge im Jahr 2015 insgesamt 3.149 Hinweise auf Schäden in Tihange 2 festgestellt. Diese Zahl sei mit der jüngsten Überprüfung um 2,22 Prozent auf 3.219 gestiegen, errechnete die Organisation Nucléaire Stop. Wegen dieser Risse sei der Betrieb des Reaktors unverantwortlich, meinte der Verein. Der Grünen-Abgeordnete Jean-Marc Nollet, der die Anfrage an Jambon gestellt hatte, beklagte, dass der Minister nicht von sich aus die Gesamtzahl der Risse und ihre Größe mitgeteilt habe.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert