Atommüll-Endlager verzögert sich: Begleitgremium ist entrüstet
Eigentlich sollen sie bei der Suche nach einem Endlager vermitteln: Nun erfahren die Mitglieder aus der Presse über eine gewaltige Zeitverschiebung.
Allerdings hat das Nationale Begleitgremium (NBG), das den Prozess vermittelnd begleiten soll, nach eigenem Bekunden erst aus der Presse erfahren, dass sich die Suche wohl um Jahrzehnte verzögern wird. Die Entrüstung unter den Mitgliedern sei groß, beklagte sich das NBG am Montag, stehe das Gremium doch für Transparenz und die Schaffung von Vertrauen in das Verfahren.
Durch Medienberichte war bekannt geworden, dass der Standort für das Endlager wohl frühestens zur Mitte dieses Jahrhunderts feststehen wird. Im Gesetz steht, dass der Standort im Jahr 2031 festgelegt werden soll. Noch im vorigen Dezember hatte die mit der Suche beauftragte Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) erklärt, dass sich an dieser Vorgabe nichts ändere. Am 10. November räumte die BGE dann ein, dass dieser Termin nicht zu halten ist. Die Auswertung geologischer Daten und auch die Entwicklung der nötigen Methoden verlange mehr Zeit.
Die Süddeutsche Zeitung hatte zudem unter Berufung auf interne Unterlagen der BGE über zwei zeitliche Szenarien für die Auswahl eines Standorts berichtet. Im schnelleren Szenario könne bis 2046 feststehen, an welchem Ort der Atommüll gelagert werden soll.
„Das ist ein Vertrauensbruch“
„Die Art und Weise, wie wir und die Öffentlichkeit von dieser Verzögerung erfahren haben, ist ein großes Problem“, sagte Bayerns Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein, der seit März 2020 im 18-köpfigen NBG sitzt. „Wie kann es sein, dass wir in einem ständigen Austausch mit der BGE und anderen Akteuren stehen, aber solch eine wichtige Zeitverschiebung erst aus der Presse erfahren? Das ist ein Vertrauensbruch.“
Von einem „Paukenschlag“, spricht die Ko-Vorsitzende des Begleitgremiums, Miranda Schreurs. Sie werfe auch Fragen über die zukünftige Rolle des Gremiums auf und bestärke die Notwendigkeit der Prinzipien des Standortauswahlgesetzes, nämlich Partizipation und Transparenz.
Die Auswirkungen der Verzögerung auf das Suchverfahren sind nach Ansicht des NBG erheblich – und reichen von der Konzeption der Öffentlichkeitsbeteiligung über finanzielle Aspekte bis zum Problem mit den Zwischenlagern. Gemeinden mit Zwischenlagern fragten sich, wie lange die Castoren wohl nun bei ihnen gelagert würden. Junge Menschen stellten sich die Frage, ob die finanziellen Mittel ausreichten, um diesen verlängerten Suchprozess und die Endlagerung zu finanzieren.
Die Verschiebung um Jahrzehnte sei wegen der verlängerten Zwischenlagerung problematisch, meint die Bürgerinitiative Umweltschutz (BI) Lüchow-Dannenberg. „Das wirft erhebliche Sicherheitsbedenken auf“, sagt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke der taz. Die Castor-Behälter, in denen der Atommüll aufbewahrt wird, und die Zwischenlager seien jeweils für 40 Jahre ausgelegt und genehmigt worden. Die zentralen Lagerstätten im niedersächsischen Gorleben sowie im westfälischen Ahaus verfügten nur bis 2034 beziehungsweise 2036 über Betriebsgenehmigungen. „Wir sind“, so Ehmke, „höchst beunruhigt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Fortschrittsinfluencer über Zuversicht
„Es setzt sich durch, wer die bessere Geschichte hat“