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Atomausstieg in GefahrStromlücke voraus

Der Atomausstieg ist beschlossen, die Alternativen aber werden zu langsam ausgebaut. Das jedenfalls beklagt Baden-Württembergs Umweltminister.

Die Energiewende kommt. Langsam. Bild: dpa

BERLIN taz | Wenn wirklich zwischen 2015 und 2022 alle deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet werden sollen, muss bis dahin noch einiges passieren. Nach gegenwärtigem Stand könnte dann zeitweise die Stromleistung von fünf bis zehn großen Kraftwerken fehlen - trotz des schnellen Neubaus von Wind- und Sonnenanlagen. Die Bundesregierung aber scheint die Suche nach einer Lösung eher auf die lange Bank schieben zu wollen.

Um das Problem anzugehen, trafen sich am Donnerstag Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder. Im Vorbereitungspapier des Wirtschaftsministeriums, das der taz vorliegt, heißt es jedoch: „Die Situation spricht insgesamt dafür, Entscheidungen über weitreichende Maßnahmen, die einen erheblichen Eingriff in die Marktstruktur zur Folge haben, derzeit noch zurückzustellen.“ Ein Gesetz zur Lösung des Problems peilen die Mitarbeiter von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) „spätestens 2014/15“ an.

Manchen dauert dieses Nachdenken zu lange, unter anderem Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). „Die Bundesregierung lässt sich zu viel Zeit“, heißt es im Stuttgarter Umweltministerium. „Wir müssen schneller konkret werden und sehr bald mit der Vorbereitung für ein Gesetz beginnen.“ Die Kritiker fürchten, dass zuviel Zeit verstreichen und die unangenehme Frage auf der Tagesordnung kommen könnte: Muss man die AKW doch länger laufen lassen, weil nicht genug Reservekapazitäten zur Verfügung stehen?

Um eine derartige Stromlücke zu verhindern, ist es wohl notwendig, die Regulierung des Strommarktes zu ändern. Die Herausforderung: Mehr und mehr Wind- und Sonnenkraftwerke werden in den kommenden Jahren am Netz sein und einen steigenden Teil des Strombedarfs decken. Allerdings nicht verlässlich: Manchmal weht kein Wind, und auch die Sonne scheint nicht immer. Für diese Zeiten braucht man konventionelle Reservekraftwerke - beispielsweise Anlagen, die Erdgas verfeuern. Weil diese allerdings zu selten laufen, wird sich ihr Betrieb für die Investoren wahrscheinlich nicht lohnen. Die interessante Frage lautet also: Wer bezahlt die notwendigen, aber unrentablen Stromkapazitäten?

Die meisten Experten antworten mittlerweile: Dafür brauchen wir ein neues Marktsegment mit eigenen Regeln. Einige Varianten für den sogenannten „Kapazitätsmarkt“ wurden in dieser Woche beim Diskussionsforum der Agora Energiewende in Berlin präsentiert. Gemeinsam ist den Modellen, dass eine zentrale, staatlich kontrollierte Stelle die benötigte Reserveleistung ausschreibt, worauf sich die Energielieferanten bewerben können. Im Rahmen von Versteigerungen erhält dann der günstigste Anbieter den Zuschlag. Die Kosten würden auf die Strompreise für Bürger und Unternehmen umgelegt.

Während Felix Höffler vom Energiewirtschaftlichen Institut der Universität Köln vorschlägt, dass grundsätzlich alle Stromproduzenten teilnehmen können, will Felix Matthes vom Öko-Institut nur diejenigen Anbieter beteiligen, die ihre Kraftwerke andernfalls stilllegen würden oder die neue bauen wollen. Dies soll verhindern, dass rentable Altkraftwerke zusätzliche Sonderprofite auf Kosten der Kunden erwirtschaften.

Sowohl Höffler als auch Matthes gehen von einem notwendigen Vorlauf von fünf bis sieben Jahren aus. Diese Zeit bräuchten Investoren, um neue Reservekraftwerke zu planen und zu bauen. Im Hinblick auf die Abschaltung der Atomkraftwerke zwischen 2015 und 2022 herrscht deshalb bereits jetzt ein gewisser Zeitdruck – was in der Bundesregierung anscheinend nicht alle so sehen.

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10 Kommentare

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  • S
    Sonnenfreund

    Lieber Hannes Koch,

     

    ich wünsche mir eine objektivere und ausgewogenere Berichterstattung.

     

    Die Frage nach dem Bedarf an Reservekraftwerken ist in der Wissenschaft hoch umstritten.

     

    Die Agora Energiewende und die von ihr eingeladenen Wissenschaftler vertreten nur die eine Seite.

     

    Die andere Seite, beispielsweise Greenpeace, der BUND und sogar das Bundesumweltministerium (zusamen mit dem BDEW, dem BEE und acht wissenschaftlichen Instituten) gehen davon aus, dass wir KEINEN Mangel an Kraftwerken haben und auf gar KEINEN Fall Kapazitätsmärkte einführen sollten, weil das der Energiewende und den Erneuerbaren Energien schaden würde.

     

    Nachzulesen ist das zum Beispiel

    - in dem gemeinsamen Positionspapier von Greenpeace und BUND vom 13.6.2013 ("Flexibilität erhöhen, Versorgung sichern, Energiewende vorantreiben"),

    - dem gemeinsamen Papier von BMU, BDEW u. BEE mit Wisschaftlern ("Märkte stärken, Versorgung sichern. Konzept für die Umsetzung einer Strategischen Reserve in Deutschland", abrufbar unter www.bmu.de/service/publikationen/downloads/details/artikel/maerkte-staerken-versorgung-sichern/?tx_ttnews[backPid]=112) oder

    - in dem aktuellen Diskussionspapier von KIT, Fraunhofer ISI und Ecofys (http://www.isi.fraunhofer.de/isi-media/docs/x/de/publikationen/Perspektiven-zur-aktuellen-Kapazitaetsmarktdiskussion-in-Deutschland.pdf).

  • T
    Tortes

    Denn ganzen Energiewendespass mit EEG-Umlage und Reservekraftwerks-Umlage soll der wehrlose Stromkunde bezahlen ?

    Ab welchem Strompreis ist es eigentlich für den Durchschnittsprivatkunden rentabel, sich einen eigenen Dieselgenerator in die Garage zu stellen ?

  • SG
    Schmidt Georg

    der Preis an der Strombörse hat mit dem Preis, den der Verbraucher zahlt, nix zu tun, fällt der Börsenpreis bekommt der Erzeuger einen Ausgleich zu dem garantierten Abnehmerpreis, sag ich mal, selbst wenn der Börsenpreis auf Null fallen würde, würde der Erzeuger weiterhin 100& bekommen, so ungefähr halt!

  • E
    EEX

    Einfach mal die Strompreise an der Börse verfolgen.

    Seit Jahren fallen die Preise, weil... äh... weil...

    ja, genau: weil es einen Mangel an Strom gibt,

    und in Zukunft mit einer Verschlechterung des

    Angebots gerechnet wird. Logisch.

  • UZ
    und zu

    @Schmidt Georg:

     

    Genau, und: Vor 80 Jahren jubelten die "Bürgerlichen" "ihrem" Hitler zu und heute gilt er allen als Riesenverbrecher...seltsam, nicht wahr?

  • RK
    Richard Kotlarski

    Diese Problem wird die Verbraucher viele weitere Milliarden kosten.

    Denn je mehr Solar- und Windstrom eingespeist wird, desto unrentabler wird es für konventionelle Kraftwerke. Und so werden wir am Ende nicht nur Solar- und Windstrom subventionieren, sondern auch konventionellen Strom.

    Es trifft vor allem die modernsten Gaskraftwerke mit Wirkungsgraden über 50%, während alte Kohledreckschleudern immer noch gewinnbringend arbeiten!

  • SG
    Schmidt Georg

    Kinder, wie die Zeit vergeht-heute in taz Printausgabe eine ganzseitige Anzeige der IGM für die Energiewende, 1977? demonstrieten 40.000 Betriebsräte und Vertrauensleute im Dortmunder Westfalenstadion Für die Kernkraft, jaja, alles dreht und bewegt sich !

  • M
    Martin

    @Stimme der Demokratie

    Möge die Stimme der Demokratie verstehen, dass alles nicht so einfach ist.

  • UZ
    und zu

    Schön bescheuert: Da hat die Bundesregierung endlich einen erfolgversprechenden Weg gefunden, die Energiewende scheitern zu lassen und der Autor tut so, als würde sie versagen. Dann versagt Putin auch wohl regelmäßig bei dem Versuch, demokratische Wahlen zu veranstalten?

     

    Mein Tip: Es ist kein Versagen, wenn es mit Absicht geschieht!

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Und weiterhin werden wir auf der einen Seite nicht speicherbaren Solarstrom auf den Dächern unserer Häuser produzieren und diese auf der anderen Seite mit russischem Erdgas heizen.

    Wäre es nicht schlauer gewesen, diese Flächen zur direkten Wärmeproduktion zu nutzen? Wärme kann nämlich problemlos gespeichert werden.

    Da die Politik wie besoffen vom Atomausstieg ist, wird jedes noch so schwachsinnige Konzept als Energiewende verkauft. Hat Wärme etwa nichts mit Energie zu tun?