Asylsuchende in Deutschland: Hilfe bei der Hilfe
Bund und Länder einigen sich auf Lastenteilung. Doch Sachsen ätzt gegen die Unterstützung von Asylsuchenden aus anderen Ländern als der Ukraine.
Am Mittwoch hatten der Kanzler und die Landesregierungschef*innen sich nach monatelangen Diskussionen darauf geeinigt, dass der Bund den Ländern für die Jahre 2022 und 2023 jeweils 1,5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stellt. Diese sind explizit für die Versorgung der Geflüchteten aus der Ukraine vorgesehen. Für Menschen aus anderen Herkunftsländern soll es ab 2023 jährlich eine Pauschale von 1,25 Milliarden Euro geben. Vorherige Vereinbarungen zu einer Beteiligung des Bundes waren Ende 2021 ausgelaufen.
„Das ist eine gute Verständigung, die uns in die Lage versetzt, die Aufgaben zu bewältigen, vor denen wir alle in dieser Hinsicht stehen“, konstatierte Scholz am Mittwochabend. Die dauerhafte Unterstützung sei ein „ganz wichtiges, zentrales Element“, hob auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hervor. Mit dem Geld sollen vor allem die Kommunen unterstützt werden.
Deutlich destruktivere Töne schlug das schwarz-rot-grün regierte Sachsen an. „Mit Sorge“ stelle man fest, dass die Zahl der Geflüchteten vor allem aus dem Mittleren Osten und Nordafrika „stark und schnell“ ansteige, heißt es in einer Protokollerklärung des Landes. Der Bund müsse seiner „Steuerungsfunktion wieder nachkommen“. Für den CDU-geführten Freistaat heißt das: keine freiwillige Aufnahme im Rahmen des EU-Solidaritätsmechanismus, keine weiteren Bundesaufnahmeprogramme – und: Abschiebungen, Abschiebungen, Abschiebungen.
Bisher rund eine Million Geflüchtete aus der Ukraine
Karl Kopp von Pro Asyl entrüsten solche Erklärungen. „Die Politik muss aufhören, solche toxischen Asyldebatten zu führen und eine Gruppe von Geflüchteten gegen andere auszuspielen“, sagte er der taz. „Sonst brauchen wir uns nicht wundern, dass der rechte Mob noch bestärkt wird und Unterkünfte für Geflüchtete angreift und niederbrennt.“
Die menschenwürdige Unterbringung so vieler Menschen sei eine Herausforderung, aber sie müsse organisiert werden, so Kopp. Das Problematisieren der Asylanträge von Nichtukrainer*innen aber sei nicht gerechtfertigt. Deren Zahl bewege sich auf einem üblichen Niveau.
Deutschland hat bisher rund eine Million Schutzsuchende aus der Ukraine registriert. Zusätzlich wurden von Januar bis September diesen Jahres insgesamt rund 135.000 Asyl-Erstanträge gestellt – ein Anstieg von 34,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Allerdings waren Fluchtbewegungen in den vergangenen Jahren weltweit durch strenge Coronaregeln eingeschränkt. Vergleicht man die aktuellen Zahlen mit dem gleichen Zeitraum im Jahr 2018, schmilzt der Anstieg auf gerade noch 8,4 Prozent.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück