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Asylrechtsdebatte im BundestagWas besser und was schlechter wird

Am 1. November soll das neue Gesetz zu schnelleren Abschiebungen in Kraft treten. Hier ein Überblick über wichtige Passagen des Entwurfes.

Eine Gruppe von Roma hat im Hamburger Michel vor der bevorstehenden Abschiebung Zuflucht gesucht Foto: dpa

Welche Verbesserungen bringt das neue Gesetz?

Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive sollen Zugang zu Integrationskursen bekommen und unter Umständen auch berufsbezogene Sprachkurse besuchen dürfen. Bislang hatten sie darauf keinen Anspruch. Zudem sollen sich Jobcenter frühzeitig um ihre Integration in den Arbeitsmarkt bemühen, das Leiharbeitsverbot wird dafür gelockert. Weitergehende Forderungen aus der CDU, Flüchtlingen weniger als den Mindestlohn von 8,50 Euro zu zahlen, lehnt die SPD strikt ab. Eine entsprechende Klausel – nach dem Vorbild der Ausnahmeregel für Langzeitarbeitslose – findet sich in dem Gesetz folglich nicht.

Die Einführung einer Gesundheitskarte soll Flüchtlingen Arztbesuche erleichtern. Die Krankenkassen müssen dann die Kosten übernehmen. Die Leistungen sollen wie bisher aber auf Akutbehandlung – zum Beispiel bei Infektionen oder bei Schmerzen – beschränkt bleiben. Ob die Karte kommt, liegt im Ermessen des jeweiligen Bundeslands. Bremen, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern haben sie schon eingeführt oder beschlossen. Bayern lehnt sie ab. Nun droht ein Flickenteppich. Flüchtlingsverbände hatten auf eine bundesweite Regelung gehofft.

Auf Druck der SPD werden außerdem neue Wege der legalen Zuwanderung vom Westbalkan geschaffen. Bürger aus diesen Ländern soll es erleichtert werden, zum Arbeiten oder für eine Berufsausbildung nach Deutschland zu kommen. Dazu müssen sie allerdings einen Arbeitsvertrag vorweisen können und die Vorrangprüfung be­stehen. Mit anderen Worten: Kein inländischer Bewerber darf übergangen werden. Noch ein Pferdefuß: Das Arbeitsvisum ist daran gebunden, dass Bewerber zuvor kein Asyl in Deutschland beantragt haben, zumindest in den vergangenen zwei Jahren nicht.

In bestimmten „Mangelberufen“, im Handwerk und in der Pflege, und für Hochqualifizierte gibt es jetzt schon die Möglichkeit, aus Nicht-EU-Ländern legal zum Arbeiten nach Deutschland zu kommen. Die neue Sonderregelung erlaubt die Arbeitsmigration künftig auch für gering qualifizierte Menschen aus den Balkanstaaten. Der DGB hält die geplante Regelung für „völlig unzureichend“, weil sie an den Bedürfnissen der meisten Balkanflüchtlinge vorbeigehe. Ein „Spurwechsel“ vom Asyl zur Arbeitszuwanderung ist damit nicht möglich.

Welche Verschärfungen im Asylrecht gibt es?

Mit Albanien, dem Kosovo und Montenegro sollen drei weitere Länder des westlichen Balkans zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt werden, um Asylanträge von dort schneller ablehnen zu können. Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina stehenbereits seit November 2014 auf dieser Liste. Insbesondere was das Kosovo angeht, ist das umstritten – dort sind nach wie vor knapp 5.000 Soldaten stationiert. Die Kirchen, Linkspartei und Grüne lehnen das prinzipiell ab. Die Grünen werden dem Gesetz aber im Bundesrat wohl zustimmen.

Alle Asylbewerber sollen künftig sechs statt wie bisher drei Monate lang in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht werden. Außerdem sollen die Flüchtlinge dort überwiegend Sachleistungen statt Geld erhalten. Die Union hält die Sozialleistungen für einen Anreiz, nach Deutschland zu flüchten. Pro Asyl befürchtet dadurch mehr Bürokratie, außerdem ist die Situation in den Masseneinrichtungen für Flüchtlinge sehr belastend. Die Bundesregierung hofft, die Asylverfahren dort in diesen sechs Monaten abschließen zu können.

Welchen Flüchtlingen wird das „Taschengeld“ gekürzt?

Zwei Gruppen von Asylsuchenden sollen nur noch die Leistungen erhalten, „die das phsyische Existenzminimus decken“. Die erste Gruppe sind abgelehnte Asylbewerber, die „vollziehbar ausreisepflichtig“ sind, aber nicht ausreisen, obwohl das möglich wäre. Sie sollen schneller abgeschoben oder durch die Mittelkürzung zur Ausreise motiviert werden.

Die zweite Gruppe sind Asylbewerber, die nach Deutschland kamen, obwohl sie im Zuge des geplanten EU-weiten Verteilsystems einem anderen EU-Staat zugewiesen wurden. Als Leistungen sollen sie grundsätzlich nur noch Wohnung und Nahrung als Sachleistungen erhalten. Der ursprüngliche Vorschlag des Innenministeriums, wonach ausreisepflichtige Asylsuchende und Dublin-Flüchtlinge nur noch eine Fahrkarte und Reiseproviant erhalten, ist vom Tisch. Er hatte für besonders große Empörung gesorgt. Doch den Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Pro Asyl gehen auch die geplanten Einschränkungen zu weit, sie halten sie für verfassungswidrig.

Sind die geplanten Einschränkungen verfassungswidrig?

Das Bundesverfassungsgericht hat 2012 in seinem Urteil zum Asylbewerberleistungsgesetz entschieden, dass auch bei kurzfristigem Aufenthalt in Deutschland eine menschenwürdige Existenz zu sichern ist. Grundsätzlich gehört dazu auch das soziokulturelle Existenzminimum. Will der Staat hiervon abweichen, muss er genau begründen, warum in bestimmten Fällen ein abweichender Bedarf besteht. Derartige Ausführungen fehlen im beschlossenen Gesetzentwurf. Dort ist nur von einer Beseitigung von „Fehlanreizen“ die Rede. Das dürfte nicht genügen, denn Karlsruhe hat 2012 klar gesagt: „Migrationspolitische Erwägungen“ können „von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen.“

Setzt das Gesetzespaket EU-Recht um?

Ursprünglich sollten in dem Gesetzespaket auch EU-Richtlinien umgesetzt werden, die den Status von besonders schutzbedürftigen Personen, insbesondere unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, verbessert hätten. Im jetzt beschlossenen Gesetzentwurf fehlen sie.

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4 Kommentare

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  • "Besser" wird hier gar nix. Hat die Bundesregierung in den letzten 20 Jahren irgendetwas beschlossen, was dann besser war als vorher? Mir fällt nix ein.

  • "Welche Verbesserungen bringt das neue Gesetz? ....das Leiharbeitsverbot wird dafür gelockert. "

     

    Ist das wirklich so eine Verbesserung?

    Für mich hört sich das nach mehr Leiharbeit an und noch weniger feste Arbeitsplätze in den Betrieben.

    Wer kein Unternehmer ist, sondern auf den Verkauf seiner Arbeitskraft angewiesen ist, kann das eigentlich nicht als "Verbesserung" sehen.

  • Deutschland ist seit den 90-er Jahren dabei, Sozialstandards und die dazugehörige Politik herunterzufahren. Das trifft deutsche Staatsbürger und für Flüchtlinge zunehmend auch. Der Diskurs ist wie vor zwanzig Jahren bei Schäuble und dann Schily (und Schönhuber) auch, nur etwas schärfer (die haben noch nicht gefordert, Flüchtlinge gleich an der Grenze anzuweisen). Die Politiker hören sich um und sehen, wie das in anderen EU-Staaten gehandhabt wird und somit können sie Begründungen und Rückhalt finden. In Spanien ist es ganz normal, dass Asylbewerber direkt an der Grenze einfach zurückgeschubst werden. Das interessiert eigentlich niemanden so richtig. Außerdem spricht hier niemand von Asyl, es gibt Einwanderung und basta. Mehrere Leserkommentare hier forderten, die Flüchtlinge doch gleich an Frau Merkel weiterzuleiten, die hätte ja offensichtlich genug Geld.

    Man muss bei der EU ansetzen. Die dortige Politk und die Maßstäbe dort gelten. Und da sind auch seit teilweise Jahrzehnten die selben konservativen neoliberalen Wirtschaftslobbyisten an der Macht. Die sieben sich nun die Leute raus, die sie brauchen für Rentenerhalt, Drecksarbeit und Facharbeit. Seit Jahren hat sich niemand ernstlich um das Thema Asyl gekümmert und Einrichtungen standen ziemlich allein da mit ihrem Anliegen. Schade. Hoffentlich trifft es uns oder unsere Kinder nicht auch - in Frieden aufgewachsen, aber so wie die Welt momentan aussieht, kann man nicht mehr sicher sein, ob wir nicht auch demnächst mal wegrennen müssen um unsere Haut zu retten, oder einfach nur in Frieden und ohne Hunger im Bauch leben zu können. Was wär denn dann?

  • Wie ja die taz hier auch korrekt feststellt, sind diese Mittelkürzungen unter das Existenzminimum ohne Anlass klar verfassungwidrig. Allen Politikern muss das doch auch klar sein.

    Ich halte es für fatal für die Politik, dass die Politik immer und immer wieder vom Verfassungsgericht zusammengestutzt werden muss. Und hierbei handelt es sich ja nicht mal um eine Frage, die irgendwie strittig wäre, die vorherigen Entscheide des Verfassungsgericht waren eindeutig. Eigentlich sollten daher alle, die diesem Gesetz zugestimmt haben, fortan als Verfassungsfeinde vom VS beobachtet werden.