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Asylrecht in DeutschlandNoch einen drauf

Die Regeln für den Umgang mit Asylsuchenden werden verschärft. Der Bundestag stimmte einem Gesetzentwurf zu, der sogar Handy-Durchsuchungen ermöglicht.

Wird immer enger ausgelegt in Deutschland Foto: dpa

Berlin dpa | Abschiebehaft, Fußfessel und Handy-Durchsuchung bei Flüchtlingen: Die Regeln für Abschiebungen und den Umgang mit Asylbewerbern werden erneut verschärft. Der Bundestag beschloss dazu am späten Donnerstagabend einen umstrittenen Gesetzentwurf der Bundesregierung. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) verteidigte die erneuten Verschärfungen. Menschenrechtsorganisationen, Sozialverbände und die Opposition rügten diese dagegen heftig und sprachen von einem Angriff auf die Grundrechte von Schutzsuchenden.

Die Bundesregierung hatte in den vergangenen Monaten zahlreiche Asylrechtsverschärfungen auf den Weg gebracht – und Regeln, um die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber zu erleichtern. De Maizière bezeichnete das nun beschlossene als „Schlusspunkt in dieser Legislaturperiode bei der Schärfung des Asylrechts“.

Wer kein Aufenthaltsrecht in Deutschland hat, aber nicht freiwillig ausreist und falsche Angaben über seine Identität macht, muss künftig mit Einschränkungen seiner Bewegungsfreiheit rechnen. Asylsuchende ohne Bleibeperspektive sollen verpflichtet werden können, bis zum Ende ihres Asylverfahrens in Erstaufnahmeeinrichtungen zu bleiben.

Die Höchstdauer des Abschiebegewahrsams wird von vier auf zehn Tage verlängert. Die Abschiebehaft für ausreisepflichtige „Gefährder“, denen Anschläge und andere schwere Straftaten zugetraut werden, soll ausgeweitet und ihre Überwachung per Fußfessel erleichtert werden. Dies ist auch eine Reaktion auf den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im vergangenen Dezember. Der Attentäter Anis Amri war ein abgelehnter Asylbewerber, der als „Gefährder“ eingestuft war. Der Versuch, den Tunesier in seine Heimat abzuschieben, scheiterte.

Zugriff auf Handydaten

Besonders umstritten an dem beschlossenen Gesetzespaket: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bekommt die Möglichkeit, Handydaten von Asylbewerbern ohne Ausweispapiere auszuwerten, um deren Identität zu klären. Der Behörde wird auch erlaubt, sensible Daten aus Asylverfahren – etwa aus medizinischen Attesten – in besonderen Gefahrensituationen an andere Stellen weiterzugeben.

Die Änderungen stoßen auf viel Kritik. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl beklagte, das Gesetz baue Deutschland vom Aufnahmeland zum Abschiebeland um. Durch die „Massenauslesung von Handydaten“ wolle die Regierung außerdem den „gläsernen Flüchtling“ schaffen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einem massiven Grundrechtseingriff.

Der Sozialverband AWO kritisierte, durch die Verschärfungen würden Schutzsuchende immer weiter entrechtet. Caritas-Präsident Peter Neher rügte, das Gesetz sei unverhältnismäßig, einseitig und stelle Flüchtlinge unter den Generalverdacht der Identitätsverschleierung. Auch die Kirchen hatten zuvor große Bedenken angemeldet.

„Schweinereien“

Die Linke-Innenpolitikerin Ulla Jelpke bezeichnete das Gesetz als „Sammelsurium flüchtlingsfeindlicher Schweinereien“, als „widerwärtig“ und skandalös. Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck beklagte, das Vorhaben sei eine Blendgranate, um von den Versäumnissen im Fall Amri abzulenken.

Abgeordnete von Union und SPD verteidigten das Gesetz. Das tat auch de Maizière. Er sagte, bei den nicht Schutzbedürftigen brauche es Härte und Rückführung, „insbesondere bei denen, die täuschen, tricksen und sich strafbar machen“. Zur Handy-Auslesung sagte der Minister: „Wir können es in einem Rechtsstaat nicht hinnehmen, dass Asylbewerber weitgehend sanktionslos und nach Belieben verschiedene Namen und Staatsangehörigkeiten angeben, keine brauchbaren Auskünfte geben und darauf hoffen, dass im Falle der Ablehnung des Asylantrags eine Abschiebung an der Beschaffung von Passersatzpapieren scheitert.“

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16 Kommentare

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  • Schafft halt endlich eine möglichkeit für legale immigtation!!! Traditionellerweise kommen die politiker_innen nur auf restriktive mittel, was anderes fällt ihnen nicht ein???

  • Ich denke allein der Grüne Volker Beck hat den Zweck der Aktion erkannt. Es ist eine Blendgranate, die vom Fall Amri ablenken soll.

     

    Das ist gesetzlicher Aktionismus. De Maizière soll seinen und die Läden der Bundesländer auf Vordermann bringen, damit solche Pannen nicht noch einmal passieren.

  • ich finde, die "Verschärfung" bzw. der "Eingriff" durch die Handy-Datenauswertung ist nur die Wiederherstellung des Normalzustandes, dass man für ein Verwaltungsverfahren zunächst mal klärt, wer überhaupt beteiligt ist und zwar die korrekten Personalien. Es sollte eigentlich völlig selbstverständlich sein, dass jeder, der einen Antrag stellt, also letztlich etwas "will" - in diesem Fall ein Aufenthaltsrecht - dafür ein paar Pflichten hat, insbesondere eben alles zu tun, dass seine Identität geklärt werden kann. Ein Recht, mit unbekannten oder selbst gewählten Personalien in Deutschland Leistungen zu empfangen, gibt es nicht. Auch für die hier geborenen nicht, weder für Deutsche, noch für Nicht-Deutsche. Ich kenne viele, die noch immer Grün wählen, aber ich kenne niemanden, der ein Recht zur Verschleierung seiner Identität für richtig hält.

    Die Empörung der Opposition bzw. einiger Lobby-Gruppen kann ich daher nicht ganz nachvollziehen bzw. eigentlich überhaupt nicht.

  • 3G
    36855 (Profil gelöscht)

    Was soll daran,

    Zitat:

    "Wer kein Aufenthaltsrecht in Deutschland hat, aber nicht freiwillig ausreist und falsche Angaben über seine Identität macht, muss künftig mit Einschränkungen seiner Bewegungsfreiheit rechnen. Asylsuchende ohne Bleibeperspektive sollen verpflichtet werden können, bis zum Ende ihres Asylverfahrens in Erstaufnahmeeinrichtungen zu bleiben."

    Zitat Ende

    schlecht sein? Das war längst überfällig , und die Bemerkungen der Linkenpolitikerin und der Grünen zeigen nur, dass sie noch nichts begriffen haben. Immer nur überaufgeregt kritisieren hilft nicht. Wie wäre es denn mal mit Lösungen für die oben angesprochenen Themen! Wie soll das, aus Sicht der Linken und Grünen in den nächsten Jahren weitergehen?

    Antworten bitte!

    • @36855 (Profil gelöscht):

      Nur rechtlich also formal gesehen, was nur die "falschen Angaben" betrifft. Es geht um Unschuldsvermutung was ein Rechtsstaat auszeichnet. Die Angaben sind erst dann falsch, wenn das vor Gericht bewiesen wurde und der Rechtsweg ausgeschöpft ist. Und da können Asylsuchende Menschen auf mehrere Rechtsgrundlagen zurückgreifen.

      • @Stefan Mustermann:

        die Unschuldsvermutung gilt im Strafverfahren. Im Verwaltungsverfahren ist von Amts wegen der Sachverhalt aufzuklären, dazu gehört auch die Klärung der Personalien und dazu hat der Bürger eine Mitwirkungspflicht.

    • @36855 (Profil gelöscht):

      Ich glaube eher, dass die Menschen in Deutschland nichts begreifen. Schließlich gibt es kaum noch Möglichkeiten überhaupt etwas zu verschärfen, weil bereits alles ausgeschöpft ist. Uns wird aber weisgemacht, dass mit den neuerlichen Verschärfungen etwas besser werden würde. Ich nenne das Volksverdummung.

      Den neuerlichen Schwachsinn aus dem Hause de Maziére dient doch lediglich dazu, die angebliche Kompetenz der Unionsparteien in Sachen Innere Sicherheit zu betonen. Sehe ich da auf die derzeitigen Vorgänge bei der Bundeswehr, auf die Mängelliste beim Bamf, oder auch die unkontrollierte Grenzöffnung durch Frau Merkel 2015 (alles schon vergessen und verzeihen, beliebt wie nie), dann sehe ich da un noch Inkompetenz in Vollendung.

      • @Friedrich Grimm:

        ich sehe das ein bißchen anders. Durch den starken Rechtsruck bei den letzten Wahlen hat sich das "gesellschaftliche Narrativ" verändert. Dinge, die in anderen Ländern normal sind - Klärung der Personalien, bevor man Leistungen empfängt, eindeutige Registrierung, die Mehrfachidentitäten ausschließen - wurden bisher durch Stimmen, wie sie auch hier wieder laut werden laut Artikel als "inhuman" dargestellt, dabei ist es das normalste von der Welt, dass jemand, der zuwandert, nicht gegenüber den hier geborenen privilegiert wird, also z.B. ohne jedes Problem und ohne Kontrolle neue Personalien annehmen kann. Jetzt merkt die Politik, das besagte Stimmen zwar laut sind, aber keineswegs den Willen eines größeren Anteils an der Bevölkerung wiedergeben, sondern im Gegenteil diese durchaus einverstanden sind, wenn man das Recht auch durchsetzt und nicht mit einem "stumpfen Schwert" sich mehr oder weniger auf die Kooperationsbereitschaft der Eingewanderten verlassen muss. Was die absurde Folge hatte, dass man zahllose Berichte von gut integrierten Leuten lesen kann, die alle schon nicht mehr hier sind, weil sie nett oder dumm genug waren, immer schön die Wahrheit zu sagen - auch wer sie sind und woher sie kommen. Und Leute wie Amri und andere Straftäter kennen jeden Trick, wie sie ihren Aufenthalt verlängern können....das finden weder besonders viele Deutsch gut, noch besonders viele hier geborene Ausländer und noch nicht einmal die "echten" Flüchtlinge.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    "Und wenn die Politikerin einer Partei, die noch immer zu einem großen Teil aus alten Stasi-Kadern besteht...", wo sind Ihre Beweise, für Ihre Behauptung?

  • 3G
    35355 (Profil gelöscht)

    Die Nutzung der Handydaten zur Identitätsfeststellung ist längst überfällig. Und wenn die Politikerin einer Partei, die noch immer zu einem großen Teil aus alten Stasi-Kadern besteht, dies als "Schweinerei" bezeichnet, zeigt sich hierin mal wieder die Doppelmoral der Partei Die Linken.

    • @35355 (Profil gelöscht):

      Ist schon seltsam, dass das bei der „Suche“ nach den NSU-Helfern nie ein Thema war.

      • 3G
        35355 (Profil gelöscht)
        @Rainer B.:

        Wie kommen Sie darauf? Ein Blick in § 100a StPO genügt. Zur Aufklärung von Verbrechen ist die Telefonüberwachung sogar ohne Kenntnis des Betroffenen möglich.

        • @35355 (Profil gelöscht):

          Der § 100a bezieht sich auf darin aufgelistete „schwere Straftaten“. Auf den NSU wäre der Paragraph zweifellos anwendbar gewesen, ich wüßte aber nicht, dass in diesem Zusammenhang jemals davon Gebrauch gemacht wurde.

           

          Wenn ein Asylsuchender seine Identität nicht nachweisen kann, stellt dies ansich gar keine Straftat dar.

        • @35355 (Profil gelöscht):

          Dann könnte man durchaus bei allen rechten Straftaten, für die keine Verantwortlichen gefunden wurden, Handydaten (Ortung) anfragen.

  • Wird auch endlich Zeit dass die Schlafmützen in Berlin reagieren! Solche Maßnahmen hätte es schon vor Jahren gebraucht. Dass die "Sozialindustrie" rumjammert ist klar - Umsatzeinbußen mag keiner.

  • Es wird sicherlich noch ein Asylpaket III kommen. Es ist besser, wenn jetzt in der stabilen Situation ein wenig der Druck aus dem Kessel genommen wird, als dass später es noch viel arger wird.