Asylrecht in Deutschland: Noch einen drauf
Die Regeln für den Umgang mit Asylsuchenden werden verschärft. Der Bundestag stimmte einem Gesetzentwurf zu, der sogar Handy-Durchsuchungen ermöglicht.
Die Bundesregierung hatte in den vergangenen Monaten zahlreiche Asylrechtsverschärfungen auf den Weg gebracht – und Regeln, um die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber zu erleichtern. De Maizière bezeichnete das nun beschlossene als „Schlusspunkt in dieser Legislaturperiode bei der Schärfung des Asylrechts“.
Wer kein Aufenthaltsrecht in Deutschland hat, aber nicht freiwillig ausreist und falsche Angaben über seine Identität macht, muss künftig mit Einschränkungen seiner Bewegungsfreiheit rechnen. Asylsuchende ohne Bleibeperspektive sollen verpflichtet werden können, bis zum Ende ihres Asylverfahrens in Erstaufnahmeeinrichtungen zu bleiben.
Die Höchstdauer des Abschiebegewahrsams wird von vier auf zehn Tage verlängert. Die Abschiebehaft für ausreisepflichtige „Gefährder“, denen Anschläge und andere schwere Straftaten zugetraut werden, soll ausgeweitet und ihre Überwachung per Fußfessel erleichtert werden. Dies ist auch eine Reaktion auf den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im vergangenen Dezember. Der Attentäter Anis Amri war ein abgelehnter Asylbewerber, der als „Gefährder“ eingestuft war. Der Versuch, den Tunesier in seine Heimat abzuschieben, scheiterte.
Zugriff auf Handydaten
Besonders umstritten an dem beschlossenen Gesetzespaket: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bekommt die Möglichkeit, Handydaten von Asylbewerbern ohne Ausweispapiere auszuwerten, um deren Identität zu klären. Der Behörde wird auch erlaubt, sensible Daten aus Asylverfahren – etwa aus medizinischen Attesten – in besonderen Gefahrensituationen an andere Stellen weiterzugeben.
Die Änderungen stoßen auf viel Kritik. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl beklagte, das Gesetz baue Deutschland vom Aufnahmeland zum Abschiebeland um. Durch die „Massenauslesung von Handydaten“ wolle die Regierung außerdem den „gläsernen Flüchtling“ schaffen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einem massiven Grundrechtseingriff.
Der Sozialverband AWO kritisierte, durch die Verschärfungen würden Schutzsuchende immer weiter entrechtet. Caritas-Präsident Peter Neher rügte, das Gesetz sei unverhältnismäßig, einseitig und stelle Flüchtlinge unter den Generalverdacht der Identitätsverschleierung. Auch die Kirchen hatten zuvor große Bedenken angemeldet.
„Schweinereien“
Die Linke-Innenpolitikerin Ulla Jelpke bezeichnete das Gesetz als „Sammelsurium flüchtlingsfeindlicher Schweinereien“, als „widerwärtig“ und skandalös. Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck beklagte, das Vorhaben sei eine Blendgranate, um von den Versäumnissen im Fall Amri abzulenken.
Abgeordnete von Union und SPD verteidigten das Gesetz. Das tat auch de Maizière. Er sagte, bei den nicht Schutzbedürftigen brauche es Härte und Rückführung, „insbesondere bei denen, die täuschen, tricksen und sich strafbar machen“. Zur Handy-Auslesung sagte der Minister: „Wir können es in einem Rechtsstaat nicht hinnehmen, dass Asylbewerber weitgehend sanktionslos und nach Belieben verschiedene Namen und Staatsangehörigkeiten angeben, keine brauchbaren Auskünfte geben und darauf hoffen, dass im Falle der Ablehnung des Asylantrags eine Abschiebung an der Beschaffung von Passersatzpapieren scheitert.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja