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Asylbewerber in Deutschland„Wir sind keine Gefangenen“

Im Schwarzwald verweigern Flüchtlinge die Annahme von Lebensmittelpaketen. Die Qualität sei schlecht, besondere Nahrung für Kranke überhaupt nicht zu erhalten.

„Wir wollen frisches Essen kaufen“: Flüchtlinge protestieren vor dem Landratsamt in Freudenstadt Bild: Nadine Michel

FREUDENSTADT taz | Als die 20 Männer auf den Parkplatz vor dem Landratsamt marschieren, strecken einige Mitarbeiter ihren Kopf zum Fenster heraus. Manche sind genervt, andere sichtlich amüsiert. Seit zwei Wochen kommen die jungen Männer fast jeden Tag hierher. Sie stammen aus Pakistan, Afghanistan und dem Iran, sie leben in Gemeinschaftsunterkünften im Landkreis Freudenstadt im Schwarzwald. Und alles, was sie wollen, ist ein Leben mit ein wenig mehr Selbstbestimmung.

„Wir wollen einfach nur die gleichen Rechte“, sagt Ahmed, 20, aus Pakistan. Damit meint er, dass andere Flüchtlinge in anderen Landkreisen Baden-Württembergs sich mit Bargeld eigenes Essen kaufen dürfen. In Freudenstadt bekommen die Flüchtlinge Lebensmittelpakete. Die stellen sie sich aus Angebotslisten zusammen.

Doch die Qualität der Lebensmittel sei schlecht, sagen die Flüchtlinge. Joghurt beispielsweise sei abgelaufen. „Wir wollen frisches Essen kaufen“, sagt Ilyas, ebenfalls aus Pakistan. Eine Frau, die glutenfreie Kost brauche, liege bereits seit zwei Wochen im Krankenhaus. Andere klagten über Bauchschmerzen. Deshalb verweigern sie jetzt die Annahme der Lebensmittel und protestieren vorm Landratsamt. „We are no criminals, we are no prisoners!“, rufen sie lautstark: „Wir sind keine Kriminellen und wir sind keine Gefangenen!“ Es ist zwei Uhr am frühen Nachmittag. Und sie wollen bleiben. Trotz der Kälte – die ganze Nacht.

Benjamin Geigl sitzt währenddessen in seinem beheizten Büro im Nebengebäude. Er ist Sachgebietsleiter für die untere Aufnahmebehörde. Vor ihm liegen die Essenslisten: Lammfleisch, Gurken, Basmati-Reis, Putenwurst und vieles mehr. „Die Zettel bieten eine ausreichende Auswahl“, sagt Geigl. „Wenn es Sonderwünsche gibt, gehen wir dem natürlich nach, sofern das möglich ist.“

Die Klagen über die Qualität sind ihm bekannt. Verstehen kann er sie nicht. Als Beispiel nennt er Mehl: Das sei sogar höherwertig, aber zum Backen sei es nicht so gut geeignet. Als sich einige Flüchtlinge über verklumptes Mehl beschwerten, hätte die Behörde wieder anderes Mehl liefern lassen. „Natürlich soll das Essen gut sein“, sagt Geigl. Er spricht ruhig und sachlich.

Gespräche gibt es nicht

Der Fall der im Krankenhaus liegenden Frau sei ihm anders beschrieben worden. Nach seiner Kenntnis habe deren Mann die Annahme von glutenfreier Kost verweigert.

Gerne würde er, Geigl, mit den Flüchtlingen reden. Es habe bereits drei Gesprächstermine gegeben. „Aber sie sind einfach nicht gekommen.“ Die Männer draußen stellen die Situation anders dar. „Ein einziges Mal kam der Landrat zu uns raus und sagte: ’Wir ändern nichts.‘ Die sind überhaupt nicht verhandlungsbereit“, sagt Ilyas. „Wir hatten schon genug Probleme in unserer Heimat. Jetzt machen die uns hier neue.“

Ob es zu einem Gespräch kommt oder nicht, ob die Qualität tatsächlich schlecht ist oder nicht, ist das eine. Grundsätzlicher ist wohl die Frage, warum sich die Flüchtlinge ihr Essen nicht selbst kaufen dürfen. So wie andere Flüchtlinge in anderen Landkreisen und in anderen Bundesländern, beispielsweise in Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt.

Das Landratsamt beruft sich auf die Rechtsgrundlage. Danach sind Sachleistungen Bargeld vorzuziehen. Ein Sprecher des Integrationsministeriums Baden-Württemberg sagte der taz: „Auf Kreisebene findet bereits ein Umdenken statt.“ Derzeit arbeitet es eigenen Aussagen zufolge an einer Novellierung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes, es will das Sachleistungsprinzip auflockern. Zudem weist das Ministerium darauf hin, dass schon heute die Kreise entsprechende Spielräume in den Gesetzen nutzen könnten.

Streik geht weiter

Doch in Freudenstadt sehen die zuständigen Beamten anscheinend keine Möglichkeit dazu. „Durch die Versorgung mit den Lebensmittelpaketen ist der gesamte Querschnitt abgedeckt“, sagt Geigl: „Wenn der Wille der Regierung sich ändert, dann machen wir das natürlich. Aber wir halten uns an das Gesetz.“

In Freudenstadt hilft das aber erst mal keinem weiter. „Wir werden nicht aufhören, bis wir unsere Forderungen durchgesetzt haben“, sagen die einen. Die anderen sagen: „Wenn die einfach weiterhin die Lebensmittelannahme verweigern, können wir dagegen nichts tun.“

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16 Kommentare

 / 
  • J
    javo

    Der Sarkasmus und die Menschenverachtung einiger Kommentatoren sind unerträglich. Wer wirklich schon mit Flüchtlingen zu tun hatte und nicht bloß hohle Phrasen drischt, weiß wie viel Leid die meisten Flüchtlinge gezwungen hat, ihre Heimat zu verlassen. Ich finde es beauerlich, wie sie hier auch noch schikaniert werden.

  • K
    Kolobi

    auf eigene wünsch oder wahl, könnte mann abgelaufene Jugort oder sonst essen aber die Flüchtlinge sind in dem Fall gezwungen. das ist die unterschied.. OK !!!!

  • SK
    selbst kochen

    Ganz einfach:

    die Leute wollen selbst kochen, wie Du auch.

     

    Es kann sein, dass diese schikanösen Gesetze bald gelockert werden müssen.

    Wehren wir uns auch gegen Niedriglohn.

  • H
    HamburgerX

    Ist es eigentlich rassistisch gegen die Deutschen, wenn Probleme durch oder von Asylbewerbern stets ausklammert, ignoriert, verharmlost und leugnet? Wenn man die Existenz von Schlepperbanden, immerhin ein Sump der Kriminalität, quasi abstreitet, wenn man die extremen großzügigen Leistungen Deutschlands im Vergleich zu der Lebensqualität in anderen Staaten und die daraus resultierenden Anreize, hier davon auch ohne jede Verfolgung zu profitieren, ausblendet? Das ständige Täter-Opfer-Klischee, das dadurch transportier wird, ist doch das größte Stereotyp überhaupt. Nehmt gefälligst mal ein paar "Flüchtlinge" privat auf und versorgt sie mit frischem Biojogurt, anstatt die arbeitende Bevölkerung mit neuen Steuermittelbelastungen zu drangsalieren, um das eigene Pseudo-Gewissen zu befriedigen.

  • R
    Rosa

    Flüchtlinge benötigen Hilfe..ganz klar.Aber wir essen auch abgelaufenen Joghurt, den man bei den Tafeln bekommt.Zudem noch weitere leckere abgelaufene Dinge, bei denen es manchmal wirklich ein Glücksspiel ist, ob das noch geniessbar ist.Ich mag andere Kulturen und habe großes Verständniss für die Flüchtlinge..dennoch gibt es ja nicht nur Deutschland, wohin man flüchten kann.Würde ich als Flüchtling in ein anderes Land gehen,müsste ich mich dort auch den Umständen fügen bis mein Asylantrag durch ist..oder eben nicht.

  • V
    victor

    Liebe Isa,

     

    ich glaube was den Wahrheitsgehalt angeht, nehmen sich Bild und Taz nicht viel. Man wird in beiden um die Warheit beschissen. Also haben beide die gleiche Zielgruppe, die sogenannte Träumer.

  • HM
    Huriyah m’uma rasah ya‘umiyah*

    Setzte niemand einem anderen Hartkekse und Scheißfras vor, wenn er nicht selbst von Diktaturen und Welthandel zur Flucht gezwungen werden will.

     

    Danke an die Zufluchtsorte im Ausland, in die wir damals vor diesen Leserkommentatoren fliehen mussten.

     

    *Die Freiheit ist eine tägliche Praxis.

    Gesehen als Graffiti in Tunesien.

  • B
    Beteiligte

    Mit eben solchen Kommentaren wie hier zu lesen sind, sehen sich die Flüchtlinge, die in Freudenstadt untergebracht sind, tagtäglich und teilweise schon seit vielen Jahren konfrontiert.

    Es wäre uns, den Flüchtlingen und dem betroffenen Teil der Bevölkerung zu wünschen, dass er seine Angst und Vorurteile überwindet und seinen Hass anders zu kanalisieren lernt.

    In Städten, in denen sich die Bevölkerung solidarisiert, sind solche kleinen Schritte leichter zu machen.

  • G
    Gunter

    "Doch die Qualität der Lebensmittel sei schlecht, sagen die Flüchtlinge. Joghurt beispielsweise sei abgelaufen. „Wir wollen frisches Essen kaufen“, sagt Ilyas, ebenfalls aus Pakistan." Gerade gibt es eine Initiative der Bundesregierung, zu gut für die Tonne. Diese Leute wissen gar nicht das Jogurt sehr lange haltbar ist, das kennen sie gar nicht, man sollte sie aufklären, das es solche Lebenmittel mit langer Haltbarkeit gibt.

  • GL
    Gerda Luise

    Die muslimische Welt hat ein Junge-Männer-die-niemand-braucht-Problem. Wir haben das Problem, dass wir die auch nicht brauchen. Und wohl auch nicht wollen. Vielleicht wenden sich diese jungen Männer an ihre Regierungen, ihre Mütter und Väter und fordern deren Pflicht ein?

  • I
    Isa

    Lieber Victor, liebe/r ohne Worte:

     

    ich frage mich wirklich, warum ihr Leser der taz seid. Euer bevorzugtes Medium sollte doch eigentlich eher in Richtung Bildzeitung gehen!

  • TS
    Thomas Sch.

    Lieber Lars,

    Sie gehören ja ganz sicher nicht zu denen, die den "alltäglichen Rassismus" der Gesellschaft verstecken und verdrängen, sondern leben uns sicherlich ganz toll vor, indem Sie nicht nur von Ihrem Privateinkommen einen erheblichen Teil an gemeinnützige Organisationen spenden (so ungefähr 50% ?), sondern Sie haben auch das Kinderzimmer geräumt und Ihre Kleinen schlafen jetzt bei Ihnen mit im Schlafzimmer, damit im Kinderzimmer die verfolgte irakischen Christenfamilie wohnen kann. Ist das so bei Ihnen, lieber Lars ? Oder täusche ich mich da eventuell doch ein bischen ? Ist ja doch sonst auch inhaltlich erschreckend, oder ?

  • L
    Lars

    Eigentlich finde ich gut, dass ihr Kommentare wie die bisherigen freischaltet. Auch wenn sie inhaltlich ja eher erschreckend sind, und sich die Frage stellt, ob dem noch eine Plattform geboten werden muss.

     

    Wenn wir aber den alltäglichen Rassismus unserer Wohlstandsgesellschaft verstecken und verdrängen, kommen wir ja nicht wirklich weiter... in sofern tragen solche Kommentare ja wohl eher dazu bei, das echte Problem aufzuzeigen.

  • OW
    Ohne Worte

    Undankbarkeit!

     

    Warum zeigen die "Helden" nicht mal so einen "Mut" in Ihrer Heimat...!

     

    Schulen wird das Geld gestrichen.. Kita-Plätze fehlen und dann sowas...!

  • A
    Ant-iPod

    Ist doch ein tolles Land hier... kaum noch Nachwuchs, Facharbeitermangel allenthalben und Millionen an Steuergeldern fließen in die EU-Bluecard, um junge Menschen aus dem Ausland anzuwerben... dabei haben wir, wie im Artikel beschrieben, einen haufen junger Leute hier.

     

    Wer sich die Schleuser leisten kann und es überhaupt zu uns schafft, gehört in der Regel nicht zum unterbelichteten Teil der Bevölkerung seines Geburtslandes.

    Das sind im wesentlichen Menschen mit guter Vorbildung, die man leicht integrieren und qualifizieren könnte.... wenn man denn nur wollte.

     

    Stattdessen halten wir diese Menschen wie Vieh, versorgen sie mit abgelaufenen Lebensmitteln und verweigern ihnen durch die so genannte "Residenzpflicht" die Bewegungsfreiheit... als wären die Menschen im Knast.

     

    Das ist alles Andere als ein Ruhmesblatt deutscher Politik... es ist eine Schande.

  • EL
    Ernst Lehmann

    Schade, dass den politisch, rassistisch und wirtschaftlich Verfolgten unser Essen nicht schmeckt. Wir brauchen dringend neue Integrationsbeauftragte mit ernährungswissenschaftlichem Zusatzstudium.