Asiens fossiler Kraftwerkpark: Abkürzung zum Kohleausstieg
Indonesien, Vietnam und Co haben immer wieder Kohlekraftwerke gebaut. Die Hürde, sie abzuschalten, ist groß. Ein neuer Finanzmechanismus soll helfen.

Zwar ist die Zahl der geplanten Kohlemeiler in vielen asiatischen Ländern im vergangenen Jahr schlagartig zurückgegangen, das zeigt eine Studie des Global Energy Monitor. Trotzdem dürfte Kohle dort noch lange die Stromerzeugung dominieren. Schließlich ist der Kraftwerkpark nicht nur groß, sondern auch noch relativ neu. Mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens lässt sich das nicht vereinbaren. Der Weltklimarat (IPCC) hat ausgerechnet, dass der Anteil von Kohlestrom von heute 38 Prozent weltweit in nur zehn Jahren auf weniger als ein Viertel sinken muss. Das lässt sich nur erreichen, wenn in Asien auch viele dieser erst seit Kurzem laufenden Kraftwerke stillgelegt werden.
Und genau das streben Finanzmarktakteure rund um die Asiatische Entwicklungsbank (Asian Development Bank, kurz: ADB) an. „Wenn wir ein Kohlekraftwerk kaufen, das noch 50 Jahre in Betrieb ist, und es innerhalb von 15 Jahren abschalten, können wir bis zu 35 Jahre Kohlenstoffemissionen einsparen“, sagt ADB-Vizepräsident Ahmed Saeed.
Rendite muss sein
Um das in großem Stil zu machen, ist allerdings sehr viel Geld erforderlich. Um die Hälfte aller Kohlemeiler stillzulegen, würden für Indonesien 16 bis 29 Milliarden US-Dollar (etwa 13,6 bis 25 Milliarden Euro), für Vietnam 9 bis 17 Milliarden und für die Philippinen 5 bis 9 Milliarden benötigt. Das kann auch die ADB nicht stemmen. „Um dies für mehr als ein oder zwei Anlagen zu ermöglichen, müssen private Investoren gewonnen werden“, sagt Michael Paulus von der US-Bank Citi. Und die wollen Rendite sehen und nicht nur sinkende Emissionen. „Es gibt Interessenten, aber sie werden es nicht umsonst machen“, so Paulus. Zwar bräuchten sie vielleicht „keine normale Rendite von zehn bis zwölf Prozent“, aber ein oder zwei Prozent würden sie auch nicht akzeptieren. „Wir versuchen gerade einen Weg zu finden, damit das funktioniert.“
Einen solchen Weg hat Donald Kanak von der britischen Versicherung Prudential entwickelt: einen Energiewendemechanismus (Energy Transition Mechanism, kurz: ETM). In einem ETM wird öffentliches Kapital etwa von der ADB und privates Kapital gepoolt. Der ETM kauft dann die Kohlekraftwerke ihren jetzigen Besitzern ab und legt diese nach einer bestimmten Anzahl von Jahren still. Gleichzeitig baut der ursprüngliche Betreiber mit den Einnahmen aus dem Verkauf des Kohlemeilers die Erneuerbaren aus.
Damit der ETM trotz der vorzeitigen Stilllegung noch eine Rendite erzielt, muss der Gewinn aus dem Stromverkauf in der verbleibenden Betriebszeit höher sein als zuvor. Das soll wiederum erreicht werden, indem der ETM deutlich geringere Finanzierungskosten hat als der ursprüngliche Betreiber. Damit die ETM-Teilhaber diese geringere Rendite akzeptieren, muss auch das Risiko entsprechend niedriger sein. Hier kommt der öffentliche Geldgeber ins Spiel: Dieser akzeptiert, dass er im Fall eines Verlusts als Erster sein Geld verliert. Damit haben alle anderen ETM-Teilhaber ein geringeres Risiko.
Start 2022
Dieser Mechanismus soll bereits nächstes Jahr in Indonesien, Vietnam oder den Philippinen getestet werden. „2022 würden wir gern das erste Kohlekraftwerk kaufen“, sagt ADB-Vizepräsident Saeed. Anschließend könne der Ansatz dann auf andere Länder in Asien oder auch andere Weltregionen ausgeweitet werden.
Wie beim deutschen Kohleausstieg wird eine Schwierigkeit darin liegen, zu verhindern, dass man die Laufzeiten der Kraftwerke mit den ETMs unabsichtlich verlängert. Das könnte passieren, wenn ein Betreiber ein eigentlich unrentables Kraftwerk weiterlaufen lässt in der Hoffnung, dieses dann an den ETM verkaufen zu können. Nick Robins von der London School of Economics warnt: „Wir müssen absolut sicher sein, dass wir nicht den Verursacher von Emissionen bezahlen, sondern für einen beschleunigten Übergang.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!