Arzt gekündigt in der Coronapandemie: Kein Vertrauen mehr übrig
Das Bezirksamt Treptow-Köpenick hat dem Arzt Denis Hedeler gekündigt – maßgeblich auf Betreiben eines AfD-Stadtrats.
Die öffentlichen Behauptungen Hedelers über seine Nichtberücksichtigung bei der Vergabe des Amtsarztpostens seien nachweisbar unwahr, so der AfD-Politiker. „Durch diese öffentliche Rufmordkampagne hat er nicht nur das Ansehen meiner Person und meine Funktion als Bezirksstadtrat, sondern der gesamten Verwaltung des Bezirksamtes schweren Schaden zugefügt.“
Hedeler, Hygienereferent im Bezirksamt Treptow-Köpenick hatte sich an die Medien gewandt, weil er sich von dem Gesundheitsstadtrat diskriminiert fühlte. Hedeler ist schwarz und schwul. Er wurde bei zwei Bewerbungen 2020 auf die Amtsarztstelle nicht berücksichtigt. Der in der Pandemie wichtige Job ist in Treptow-Köpenick seit September nicht besetzt, weil es keine anderen Bewerber gibt. Hedeler ist zwar studierter Arzt und hat Erfahrungen in der Bekämpfung von Epidemien, unter anderem in Sierra Leone, gesammelt. Doch für die Qualifikation als Facharzt für das öffentliche Gesundheitswesen fehlen ihm noch Ausbildungsabschnitte in der Psychiatrie.
Seine Rassismusvorwürfe konnte Hedeler nicht belegen, weil die von ihm behaupteten Vorfälle mündlich ohne Zeugen stattgefunden hätten. So hätte Geschanowski Hedeler zufolge in einem Gespräch gesagt, er müsse an seiner Außendarstellung arbeiten. Auf Hedelers Frage, was der Stadtrat damit meine, hätte dieser Hedeler zufolge auf seine Haut gezeigt. Am Montag war Hedeler nicht zu erreichen.
Wichtige Stelle bleibt vorerst vakant
Laut dem AfD-Politiker hätte Hedeler „seine Herkunft, seine Hautfarbe und seine sexuelle Identität instrumentalisiert und gezielt als Mittel eingesetzt, um damit einen persönlichen Vorteil zu erzielen.“ Oft sind rassistische und sexistische Diskriminierungen allerdings nichts, was man an objektiven Kriterien festmachen könnte. Betroffene empfinden viele Äußerungen anders als Menschen, die der Mehrheitsgesellschaft angehören. Da führen Gespräche eher zum gegenseitigen Verständnis als Abwiegelungen.
Kritik kommt von Grünen und SPD im Bezirk. Die grüne Fraktion schreibt: „Während der Pandemie und angesichts der auch in Treptow-Köpenick hohen Infektionszahlen ist es wichtiger denn je, die Funktion des Amtsarztes zu besetzen und jede fachliche Unterstützung zu nutzen. Es wirft ein schlechtes Licht auf den Gesundheitsstadtrat, wenn diese wichtige Stelle vakant bleibt.“
SPD-Fraktionschef Alexander Freier-Winterwerb zufolge gibt es durch das Vorgehen des AfD-Stadtrates nur Verlierer: „Mitten in der Pandemiebekämpfung einen Fachmann zu entlassen, geht gar nicht. Die Kündigung schadet zudem dem Ansehen des Bezirksamtes als Arbeitgeber.“
Freier-Winterwerb kritisiert auch, dass der Stadtrat die Kündigung zu einer Zeit ausgesprochen hat, in der die Bezirkspolitik schon in der Weihnachtspause ist und keine Rücksprache mit den politischen Aufsichtsgremien im Bezirk erfolgt ist. „Die Personalie war ja zweimal Gegenstand in Ausschusssitzungen der Bezirksverordnetenversammlung. Dort gab es aber keinerlei Informationen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren