Artgerechte Tierhaltung: Mehr Platz für Tiere
Die Verbraucher erwarten artgerechte Haltung, stattdessen häufen sich die Tierschutzskandale. Der Druck auf die Biobranche steigt.
BERLIN taz | Die Biobranche gerät zunehmend ins Visier von Tierschützern. Im September schaffte es der Verein die Tierfreunde ins ARD-Fernsehen mit Bildern von Bioschweinen, die einzeln in engen Käfigen leben. Auslauf gab es nicht. Tote Ferkel türmten sich auf einem Haufen.
Vor einer Woche legte der Sender mit Aufnahmen aus einem Legehennen-Massenstall des Ökoeiervermarkters Wiesengold nach. Zu sehen waren ebenfalls tote Tiere auf dem Boden, aber auch fast nackte, kranke Legehennen. Am Donnerstag will die Tierrechtsorganisation Peta einen weiteren Fall veröffentlichen.
Wiesengold erklärte den schlechten Zustand der Tiere mit der Krankheit Rotlauf. Infizierte Wildschweine seien in das Freilaufgehege eingedrungen und hätten über Wasser und Stroh die Hennen angesteckt.
Erzeugercode: Die Haltungsform ist an der ersten Ziffer des Codes zu erkennen, der auf der Hühnereierschale stehen muss. O steht dabei für Öko. EU-Bio: Finden sich auf der Packung keine Hinweise auf Anbauverbände, wurde das Ei höchstwahrscheinlich nach den Minimalregeln der EU-Ökoverordnung erzeugt. In der Praxis werden auch mehrer Stallabteile zu je 3.000 Tieren in einem Gebäude toleriert. Bioland: Steht das Logo dieses Verbands auf der Packung, muss das Ei aus Betrieben mit höchstens 6.000 Tieren pro Gebäude kommen. Demeter lässt maximal 3.000 Tiere unter einem Dach zu.
Wiesengolds Verband Naturland hält es durchaus für möglich, sehr viele Tiere in einem Betrieb gut zu betreuen. „Wenn wir als Biobranche das Ganze meinen und nicht nur eine Nische, dann müssen wir auch große Bestände hinkriegen, die funktionieren“, sagt Präsidiumsmitglied Felix Prinz zu Löwenstein.
Große Unterschiede zwischen bio und konventionell
Die Lobby der Biobranche verteidigt sich bei Skandalen gern mit einem Verweis auf die Vorschriften, die für Ökobauern gelten. Immerhin sieht die Bioverordnung der Europäischen Union mehrere Vorteile gegenüber dem Standard in der konventionellen Tierhaltung vor. Deshalb wird fast keinem Bioferkel das Ringelschwänzchen abgeschnitten.
Zudem hat ein Bioschwein in der Mast mindestens 50 Prozent mehr Platz – abgesehen davon, dass es Auslauf bekommt, wovon die meisten konventionellen Schweine nur träumen können. Bauern, die Mitglied in Verbänden wie Bioland sind, müssen ihren Tieren sogar noch mehr Platz einräumen. Ähnlich sind die Unterschiede zwischen bio und konventionell in der Geflügelhaltung.
Die Skandalbilder aus Ökobetrieben waren bisher meist auch nicht so brutal wie die aus konventionellen. Bislang wurden zumindest keine Biobauern gezeigt, die ihre Tiere mit Füßen treten, Zangen um die Hälse von Puten herum zudrücken oder Geflügel lebendig begraben.
Trotzdem steigt der Druck auf die Biobranche, die Tierschutzstandards zu erhöhen. Denn viele Ökokunden wollen, dass die Bauern die Tiere nicht nur besser, sondern gut behandeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis