Arte-Doku „Fast Fashion“: Hauptsache, billig

Eine Arte-Dokumentation bilanziert das Geschäft mit der Wegwerfmode. Und wirft die Frage auf: Kann es so etwas wie nachhaltige Mode überhaupt geben?

EIn Model posiert am Set im roten Kleid vor der Kamera

Viele wollen günstige Klamotten – aber wer zahlt den Preis dafür? Foto: Arte

Ach, wie schön, dass es in diesen düsteren Zeiten doch auch mal eine positive Entwicklung gibt: „Früher gehorchte die Mode strengen Gesetzen. Sich gut zu kleiden war ein Privileg der Oberklasse. Ein Blick genügte, um arm von reich zu unterscheiden. Es war die Zeit der Modediktatur“, erfahren wir in einer informativen, faktenreichen neuen Arte-Doku: „Mitte des letzten Jahrhunderts wurde ein Drittel des Haushaltsbudgets für Kleidung ausgegeben. Heute sind es weniger als 5 Prozent.“

Wunderbar, die Geschichte der „Fast Fashion“ ist also eine von der „Demokratisierung“ der Mode – den Herstellern gefällt dieser Begriff. Nur, warum gibt dann nur ein einziger von ihnen (Javier Cañás Caramelo von Atelier Etiem) bereitwillig Auskunft? Und winkt ein anderer (Umar Kamani von PrettyLittleThing) bald nach seinem Bodyguard?

Man muss halt auch das Kleingedruckte lesen – oder bei Filmen den Untertitel: „Die dunkle Welt der Billigmode“. Stimmt ja, da war doch was. Da gab es etwa vor neun Jahren schon diese ARD-Doku („Der Preis der Blue-Jeans“) über die Nebenkosten einer Kik-Jeans für 9,99 Euro (die Staublunge chinesischer Arbeiter). Da gab es 2015 bereits „The True Cost“ von Andrew Morgan, der durch den Tod von Näherinnen in einem über ihnen zusammengestürzten Hochhaus auf das Thema gekommen war. Das war im weit entfernten Bangladesch.

„Fast Fashion – Die dunkle Welt der Billigmode“, Di., 9.3., 20.15 Uhr, Arte und in der Arte-Mediathek

Die schnelle Mode will schnell sein, die Wege kurz halten. Eine Chance für das alte Europa? „Die Textilindustrie ist nach Leicester zurückgekehrt. Im Gepäck: Arbeitsbedingungen wie in der Dritten Welt.“ Drei Pfund Stundenlohn, weniger als die Hälfte des vorgeschriebenen Mindestlohns – nach zwei Wochen unbezahlter Probezeit. In Großbritannien war das im vergangenen Jahr ein kurzer Aufreger in Presse und Parlament – der Börsenkurs des Retailers Boohoo war bald wieder im Aufstieg begriffen.

Viskose als scheinbar „grünes“ Produkt

Ein Unternehmen wie Zara bringt in 7.500 Filialen „im Jahr 65.000 neue Modelle auf den Markt“, „200 Modelle am Tag“ – die Textilindustrie bleibt „nach der Ölindustrie der zweitschmutzigste Wirtschaftszweig der Welt“, die gleichzeitig billige Viskosefaser, sie wird ja aus Holz gemacht, als grünes Produkt vermarktet. Über die nicht eben reflektierte Influencerin Noholita konnte man ja noch lächeln; über die Schulungen für die 700 namenlosen Zara-Designer, mit denen die Zara-Juristen penibel darauf achten, dass das Kopiergeschäft nicht als solches justitiabel wird („Der Entwurf sollte sich in mindestens sieben Punkten unterscheiden, um juristisch wasserdicht zu sein.“), den Kopf schütteln.

Der bedrückendste Teil des Films spielt im indischen Nagda, von wo aus der Birla-Konzern, so die Filmautoren, die gesamte Fast-Fashion-Branche mit seiner Viskose versorgt. Wo Luftproben eine Schwefelkohlenstoff-Konzentration ergeben haben, 125-mal höher als die Richtwerte der WHO. Wo zahlreiche Menschen an Sehstörungen, Unfruchtbarkeit, Gefäßschäden, Lähmungen, Artikulationsproblemen leiden. Ein Mann zeigt auf eine grauhaarige alte Frau: „Das Mädchen ist gerade einmal 26.“

Trauriges Fazit eines traurigen Films: Die Ärmsten zahlen immer noch den höchsten Preis dafür, dass immer mehr Mode zu immer geringeren Preisen verramscht wird. Ein guter Grund für mehr Achtsamkeit beim Klamottenkauf. „Es tut mir leid“, sagt da zum Abschied noch der Wirtschaftsprofessor Nikolay Anguelov, einer von bemerkenswerten 24 Interviewpartnern im Film: „So etwas wie nachhaltige Mode gibt es nicht.“

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