Armensiedlung vor der Räumung: Bewohner in Ungewissheit
Der Eigentümer der Siedlung in Grünau öffnet den Platz kurz vor der Räumung für Wohnungslose. Kann der Bezirk den Bewohnern Wohnangebote machen?
Dass der Bezirk Treptow-Köpenick die Siedlung und den Wohnwagenplatz nebenan räumen lassen will, mag er noch nicht glauben. „Die sind schon oft gekommen und haben gesagt, dass sie hier aufräumen.“ Und wenn es diesmal stimmt? Der Vollbartträger mit dem Kreuz um den Hals zuckt mit den Achseln. „Wir werden sehen.“
Seit über einem Jahr will das Bezirksamt die Armensiedlungen von Grundstückseigentümer Wolfang Ziegler loswerden. Nun könnte es so weit sein: Nach gewonnenen Gerichtsprozessen und verhängten Bußgeldern soll Ziegler bis Ende nächster Woche das Grundstück, auf dem etwa 100 Menschen leben, räumen.
Als Retourkutsche hat Ziegler über einen Mitarbeiter am Mittwoch erklären lassen, die Adresse Adlergestell 552 sei nun der erste „safe place“ für Wohnungssuchende, das Gelände frei zur „Selbstermächtigung“. Sprich: Jeder kann kommen. Ein letzter Denkzettel für den Bezirk?
Sozial? „Alles Quatsch“
Am Donnerstagmittag sind die Tore zum Trailerpark jedenfalls geschlossen. Einer der Bewohner, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, sagte er taz, er habe nichts davon mitbekommen, dass nun Obdachlose kommen dürfen. Im Gegenteil: „Gestern musste jemand gehen, weil das Jobcenter seine Miete nicht mehr zahlt“, erzählt der Mann, der seit über einem Jahr in einem Wohnwagen wohnt.
Aber was ist mit Zieglers Behauptung, seine Plätze – auch in Lichtenberg hat er einen – seien „soziale Wohnprojekte“, auch wer kein Geld habe, dürfe bleiben? „Alles Quatsch“, sagt der Bewohner. Bis vor Kurzem habe er noch gerne im Trailerpark gewohnt. Doch inzwischen sei die Stimmung umgeschlagen. Er hoffe nun, dass der Bezirk wie versprochen etwas Anständiges findet für ihn und die anderen – und zwar nicht im Obdachlosenheim. Am Montag ist ein Treffen des Sozialamts mit den Bewohnern angesetzt.
Biesendorfer glaubt nicht daran. Schon vor einem Jahr habe der Bezirk ihm einen Platz im Wohnheim angeboten, doch das wolle er nicht. Auf weitere Anfragen seinerseits um Hilfe habe der Bezirk nicht mehr reagiert, erzählt der experimentelle Filmemacher. „Die Politiker machen doch nur Blabla.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers