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Armensiedlung vor der RäumungBewohner in Ungewissheit

Der Eigentümer der Siedlung in Grünau öffnet den Platz kurz vor der Räumung für Wohnungslose. Kann der Bezirk den Bewohnern Wohnangebote machen?

Frank Biesendorfer in seinem Wohncontainer, an den Wänden Kunst aus beschriebenen Zeitungsartikeln Foto: S. Memarnia

Berlin taz | Im Sanitärcontainer mit den Toiletten und der Waschmaschine riecht es nach Urin. „Ja, das ist nicht so schön“, sagt Frank Biesendorfer und stopft seine Weißwäsche in die Maschine. Der US-Amerikaner, der sich als Künstler, Koch und Lkw-Fahrer vorstellt, wohnt trotzdem gerne in der Containersiedlung neben dem S-Bahnhof Grünau. „Ich kann den Himmel sehen und hundert Meter weiter ist der Fluss, wo ich im Sommer bade.“

Dass der Bezirk Treptow-Köpenick die Siedlung und den Wohnwagenplatz nebenan räumen lassen will, mag er noch nicht glauben. „Die sind schon oft gekommen und haben gesagt, dass sie hier aufräumen.“ Und wenn es diesmal stimmt? Der Vollbartträger mit dem Kreuz um den Hals zuckt mit den Achseln. „Wir werden sehen.“

Seit über einem Jahr will das Bezirksamt die Armensiedlungen von Grundstückseigentümer Wolfang Ziegler loswerden. Nun könnte es so weit sein: Nach gewonnenen Gerichtsprozessen und verhängten Bußgeldern soll Ziegler bis Ende nächster Woche das Grundstück, auf dem etwa 100 Menschen leben, räumen.

Als Retourkutsche hat Ziegler über einen Mitarbeiter am Mittwoch erklären lassen, die Adresse Adlergestell 552 sei nun der erste „safe place“ für Wohnungssuchende, das Gelände frei zur „Selbstermächtigung“. Sprich: Jeder kann kommen. Ein letzter Denkzettel für den Bezirk?

Sozial? „Alles Quatsch“

Am Donnerstagmittag sind die Tore zum Trailerpark jedenfalls geschlossen. Einer der Bewohner, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, sagte er taz, er habe nichts davon mitbekommen, dass nun Obdachlose kommen dürfen. Im Gegenteil: „Gestern musste jemand gehen, weil das Jobcenter seine Miete nicht mehr zahlt“, erzählt der Mann, der seit über einem Jahr in einem Wohnwagen wohnt.

Aber was ist mit Zieglers Behauptung, seine Plätze – auch in Lichtenberg hat er einen – seien „soziale Wohnprojekte“, auch wer kein Geld habe, dürfe bleiben? „Alles Quatsch“, sagt der Bewohner. Bis vor Kurzem habe er noch gerne im Trailerpark gewohnt. Doch inzwischen sei die Stimmung umgeschlagen. Er hoffe nun, dass der Bezirk wie versprochen etwas Anständiges findet für ihn und die anderen – und zwar nicht im Obdachlosenheim. Am Montag ist ein Treffen des Sozialamts mit den Bewohnern angesetzt.

Biesendorfer glaubt nicht daran. Schon vor einem Jahr habe der Bezirk ihm einen Platz im Wohnheim angeboten, doch das wolle er nicht. Auf weitere Anfragen seinerseits um Hilfe habe der Bezirk nicht mehr reagiert, erzählt der experimentelle Filmemacher. „Die Politiker machen doch nur Blabla.“

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4 Kommentare

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  • Was hier als Armensiedlung bezeichnet wird, ist letztlich ein Geschäftsmodell das auf Ausbeutung der Schwächsten beruht. Quadratmeterpreise, die bei regulären Wohnungen jede Stadtteilinitiative auf den Plan rufen würden und Lebensumstände wie im Slum.

    • @unbedeutend:

      Is nich ganz falsch.



      Allerdings gilt es zu bedenken, dass die Leute dort oft aus prekärsten Verhältnissen kommen, Suchtprobleme oder psychische Krankheiten mitbringen oder einfach ne verkackte Schufa.



      Die brauchen sich bei regulären Wohnungen gar keine Hoffnungen machen...

      • @Ano Nym:

        allerdings weiß ich nicht, ob es das besser macht. Oder sind in der Miete auch soziale Ansprechpartner, Ärzte usw enthalten?



        Mein Eindruck ist eher, dass der Eigentümer die Not schamlos ausnutzt und seinen Schrott zu Geld macht.....und nur die Ärmsten leben dort und auch nur, solange die Ämter die überhöhten Kosten tragen.

    • @unbedeutend:

      Is nich ganz falsch.



      Allerdings gilt es zu bedenken, dass die Leute dort oft aus prekärsten Verhältnissen kommen, Suchtprobleme oder psychische Krankheiten mitbringen oder einfach ne verkackte Schufa.



      Die brauchen sich bei regulären Wohnungen gar keine Hoffnungen machen...