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Armenienkonflikt in der TürkeiKeine versöhnlichen Töne

Der Auftritt der Dresdener Sinfoniker im Deutschen Konsulat in Instanbul ist abgesagt. Das Konzert sollte an den armenischen Völkermord erinnern.

Das Orchester bei der Aufführung des Stückes in Dresden Foto: dpa

Istanbul taz | Ein für den 13. November geplantes Konzert im „Kaisersaal“ des Istanbuler Konsulats, zu dem die Einladungen bereits verschickt waren, ist geplatzt. Die Räumlichkeiten des Istanbuler Konsulats stehen am 13. November nicht zur Verfügung, teilte des Auswärtige Amt dem Dresdner Sinfonikern am Dienstag überraschend mit.

Der Grund für diese Absage ist allerdings politisch und hat nichts damit zu tun, dass die Räumlichkeiten belegt wären. Es geht zwar um ein Konzert, aber um ein ganz besonderes. Anlässlich des 100. Jahrestages des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich, hatten die Dresdner Sinfoniker gemeinsam mit dem armenisch-stämmigen Gitarristen Marc Sinan und der türkischstämmigen Komponistin Zeynep Gedizlioglu das Konzert „Aghet“ (armenisch Katastrophe und gleichzeitig die Bezeichnung für den Völkermord) konzipiert und eingeübt. Die Uraufführung fand letztes Jahr am 24. April zum Jahrestag des Völkermordes in Deutschland statt.

In diesem November sollte die internationale Fortsetzung stattfinden. Gemeinsam mit armenischen und türkischen Musikern wird das Konzert am 5. November in Belgrad und am 10. November in der armenischen Hauptstadt Jerewan stattfinden. Für den 13. November war dann der Auftritt in Istanbul vorgesehen. Der wird nun erst einmal nicht stattfinden, weil die Bundesregierung sich neuen Ärger mit der türkischen Regierung ersparen will.

Vor einigen Wochen hatte die Bundesregierung die Völkermordresolution des Bundestages vom 2. Juni dieses Jahres als „rechtlich unverbindliche Meinungsäußerung“ charakterisiert. Erst durch dieses Vorgehen war der Besuch deutscher Parlamentarier bei der Bundeswehr auf dem Luftwaffenstützpunkt in Incirlik möglich geworden. Jetzt will man wegen der Völkermordfrage keinen neuen Ärger riskieren.

Orchester dürfen nicht einladen

Als Vorwand für die Absage gab das Auswärtige Amt an, die Dresdner Sinfoniker hätten auch den türkischen Staatspräsidenten Erdogan und den Ministerpräsidenten Binali Yildirim zu dem Konzert eingeladen und dies auch öffentlich gemacht. Das sei nicht abgesprochen gewesen und ein Orchester sei nicht befugt, Gäste ins Konsulat einzuladen.

Vertreter des deutschen Konsulats in Istanbul wollten dazu keine Stellung nehmen. Offenbar wollte das Auswärtige Amt das Konzert möglichst unbemerkt von der türkischen Öffentlichkeit im Konsulat als rein deutsche Veranstaltung durchführen. Das war nach den offenen Briefen an die türkische Führung nun nicht mehr möglich.

Dabei hat Außenminister Frank Walter Steinmeier das Projekt gemeinsam mit der EU zunächst noch gefördert und hochgelobt. „Die interkulturelle Zusammenarbeit im Projekt Aghet“, so Steinmeier, realisiert beispielhaft den Schulterschluss zwischen Angehörigen der ehemaligen Konfliktparteien. Aghet ist ein Leuchtturm auf dem Pfad der Versöhnung“. Jetzt hat Steinmeier den Leuchtturm ausgeschaltet.

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2 Kommentare

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  • Naja, das sind sprachliche Feinheiten, die im Online-Journalismus halt endgültig flöten gehen. Selbst in jeder gedruckten Ausgabe der taz finde ich mind. 5 Sätze, die ohne Verb im Nichts enden, oder grammatikalisch total vermurkst sind - Ich mag die Zeitung trotzdem, radikaler Sprach-Purismus kann auch schnell in eine Oberlehrer-Attitüde abgleiten, und das nervt dann nur noch.

     

    Apropos Oberlehrer-Attitüde: Es gibt an der heutigen Türkei sehr vieles zu kritisieren, es gibt schlimme Verstöße gegen Menschenrechte, demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien usw. Die Haltung Europas dazu kann man bestenfalls als "schwiemelig", schlechtestenfalls als "super-scheinheilig, amoralisch und rein interessengeleitet" charakterisieren. Über diese Kuschel- und Kuschpolitik gegenüber/vor Erdogan sollte unbedingt diskutiert und selbige adjustiert werden.

     

    Ich finde es jedoch hochgradig lächerlich, unpassend (und realpolitisch selbstsabotierend), der Türkei ihren Umgang mit einem 100 Jahre zurückliegenden Genozid vorzuwerfen. Grade Deutschland sollte sich bei dem Thema sehr zurück halten, und sich lieber um Entschädigung von NS-Opfern oder Hilfe für deren Nachfahren, und Entschädigung für die Hereros kümmern. Oder um die türkischen Opfer von deutschen Nazis (Mölln,Solingen,NSU usw). Aber man will sich wohl jetzt 150% geläutert geben und fängt schon wieder an, dem Rest der Welt moralinsauer auf den Wecker zu gehen. Und da sind insbesondere auch Die Grünen leider oft ganz vorne mit dabei...

  • Meines Wissens sollte der Auftritt nicht an einen armenischen Völkermord, sondern an den Völkermord der Türkei an den Armeniern erinnern.