: Eine Lobby für Künstlerinnen
KUNSTGESCHICHTE Der Lyceum-Club, gegründet 1905, half Berliner Künstlerinnen und warb für die berufstätige Frau. Das Verborgene Museum erinnert an dieses vergessene Kapitel emanzipativer Geschichte
VON SABINE WEIER
Sie waren selbstbewusst und schlagkräftig, schufen herausragende Gemälde, Skulpturen, Fotografien und Grafiken: Berliner Künstlerinnen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Schon 1887 handelte sich Hermione von Preuschen mit ihrem Bild „Mors Imperator“, einer Anspielung auf den alternden Kaiser Wilhelm I., eine Anklage wegen Majestätsbeleidigung ein. Lene Schneider-Kainer zeichnete in den zwanziger Jahren weibliche Akte und erotische Szenen, die regelrecht einen männlichen Blick à la Egon Schiele nahelegen. Beide Frauen waren Mitglieder im Berliner Lyceum-Club, an dessen Anfänge jetzt eine Schau im Verborgenen Museum mit Werken von 31 Künstlerinnen erinnert.
Über 1.000 Mitglieder zählte der Frauen-Verein bald nach seiner Gründung 1905, darunter Persönlichkeiten wie Emilie Winkelmann, die erste Frau mit eigenem Architekturbüro in Deutschland. Auch Käthe Kollwitz trat bei. Mit ihren realistischen Einblicken in das Berliner Arbeitermilieu verschaffte sich Kollwitz früh Anerkennung in der männlich dominierten Kunstwelt. 1919 wurde sie als erste Frau in die Preußische Akademie der Künste berufen. Im gleichen Jahr ließ die Akademie der Künste in Berlin Frauen erstmals zum Studium zu.
Vermittlung und Verkauf
In einem großen Clubhaus in der Potsdamer Straße disputierten die Mitglieder, hielten Vorträge und schmiedeten Allianzen, um Frauen in Bereichen wie Wissenschaft, Wirtschaft oder Kunsthandwerk zu stärken. Das Interieur gestalteten sie selbst, es gab ein Restaurant, einen japanischen Teesalon, Gästezimmer. Die Förderung von Künstlerinnen und der Anspruch, das prestigeträchtige Feld der Bildenden Künste aktiv mitzugestalten, war in der Satzung verankert. Eine Kunstkommission beriet die Künstlerinnen bei Einsendungen zu wichtigen Ausstellungen. In den Clubräumen richteten sie regelmäßig Ausstellungen aus, außerdem organisierten sie internationale Schauen. Kunstinteressierte Damen aus finanzkräftigen Kreisen kauften Werke und vermittelten Kontakte.
So fortschrittlich der Club war, ganz außerhalb patriarchaler Strukturen funktionierte er nicht. Ordentliche Mitglieder konnten nur Künstlerinnen werden, die ihre Arbeiten bereits in Gruppenausstellungen neben männlichen Kollegen präsentiert hatten. Auch an den Jury-Entscheidungen wirkten Männer mit, sie sollten für breitere gesellschaftliche Anerkennung sorgen. Prominenter Berater war etwa der Maler Max Liebermann, dessen Frau Martha dem Club angehörte.
Die Kuratorinnen Dorothea Schöne und Paula Böttcher haben sich auf Arbeiten konzentriert, die bis 1933 entstanden sind. Weder das Budget noch die zwei Räume im Verborgenen Museum hätten gereicht, um die komplexe Entwicklung nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zu bearbeiten, sagt Schöne. 1933 wurden Künstlerinnen jüdischer Herkunft ausgeschlossen, avantgardistische Werke als entartet verfemt, viele Künstlerinnen erhielten Berufsverbot. Von einigen Mitgliedern des Lyceum-Clubs sei das durchaus bejubelt worden, sagt Schöne. Malerinnen wie Margarete Bernstein-Landsberg, Clara Arnheim und Julie Wolfthorn werden später in Theresienstadt ermordet.
Die jüdische Fotografin Suse Byk porträtierte im Berlin der zwanziger Jahre Künstler und Wissenschaftler. Zwei ihrer Fotografien sind im Verborgenen Museum zu sehen. Eine zeigt die Ausdruckstänzerin Valeska Gert beim Kokettieren mit den Tasten eines Klaviers. Byks Biografie kann wie die vieler Künstlerinnen nur lückenhaft rekonstruiert werden. Ihr Atelier am Kurfürstendamm musste sie 1938 aufgeben. Sie emigrierte nach London und später nach New York, wo sich ihre Spur verliert.
Durchschlagenden Erfolg feierte der Club 1912 mit der Ausstellung „Die Frau in Haus und Beruf“ in den Ausstellungshallen am Zoologischen Garten. Das war eine Art Werbeveranstaltung für die berufstätige Frau, die der Club mit mehr als 10.000 Helferinnen realisierte. Neben Abteilungen wie „Die Frau in Handel und Verkehr“ gab es auch eine für Kunst. Zum ersten Mal seien Künstlerinnen dort geschlossen mit ihren Leistungen aufgetreten, schrieb die Frauenrechtlerin Alice Salomon – das Können der Frau sei damit besser zum Ausdruck gebracht worden als auf den allgemeinen Ausstellungen, auf denen die weibliche Leistung, so gut sie auch sein möge, in der Masse verschwände.
Trotz des Rückhalts des Clubs schafften es einige viel versprechende Künstlerinnen nicht, sich zu behaupten. Dora Hitz etwa, deren wunderbares Bildnis der Malerin Marie von Brocken die Besucher jetzt am Eingang begrüßt, starb 1924 verarmt und sozial isoliert in Berlin. Jahre zuvor hatte sie die bedeutende Künstlergruppe „Berliner Secession“ mitgegründet, neben anderen Club-Mitgliedern wie Sabine Lepsius und Julie Wolfthorn. Viele der in der Schau vertretenen Künstlerinnen sind heute kaum noch bekannt. Ihre Werke sind größtenteils Leihgaben aus den Privatsammlungen anderer Club-Mitglieder. So verhilft die Lobby von damals den Künstlerinnen 100 Jahre später noch einmal zu etwas Sichtbarkeit.
■ Verborgenes Museum, Do.–Fr. 15–19 Uhr, Sa.–So. 12–16 Uhr, bis 26. Juli
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