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Unsere Stimme gehört euch!

Hillary Clinton, Barack Obama und nun sogar John McCain: welch grandiose Win-win-win-Situation! Warum der US-Präsidentschaftswahlkampf für linke Kreise in Deutschland nach den jüngsten Vorwahlen noch attraktiver geworden ist

VON MICHAEL RUTSCHKY

Es bleibt spannend, verspricht die große Medienerzählung, bleiben Sie dran. Und das ist auch gut so. Denn wenn jetzt eine Entscheidung fiele, wäre Schluss mit diesem erregenden Schauspiel, und die Aufmerksamkeit müsste sich neuen Stoff suchen.

Das wollen wir nicht. Das Schauspiel gestaltet sich so, dass man ewig weiter zusehen könnte. Die Hauptdarsteller sind so attraktiv und locken so viele Ideen und Einfälle hervor, dass man den Zeitpunkt, wo diese Ideen und Einfälle getestet werden, weil Hillary Rodham Clinton oder Barack Obama (oder John McCain) ins Präsidentenamt gewählt sind, unbedingt hinauszögern möchte. Gerade unsere Kreise können da sehr ungnädig sein; kaum war Joschka Fischer Außenminister, breitete sich die Überzeugung aus, er müsse dringend zurücktreten …

Ich bin für Hillary. Wenn sie es schafft, kann man das mühelos zu einem Triumph der Achtundsechziger erklären, und ein solcher Triumph stünde uns doch endlich mal zu. Viele Fotos aus ihrer Frühzeit zeigen das Clinton-Paar, als gehörten sie zu derselben Ikonografie wie Gretchen und Rudi Dutschke. Überhaupt, dass ein Paar sich vorsetzen kann, erst wirst du amerikanischer Präsident, dann ich, und das kriegen wir zusammen hin – das besitzt doch von sich aus schon die Überzeugungskraft Hollywoods (andere denken an Sartre und Beauvoir). Und weil Jane Fonda und Robert Redford inzwischen zu alt sind, müssen die Originale selbst ran …

Ich bin für Obama. Das gehörte doch zu den uneinnehmbaren Stützpunkten der reaktionären Onkel und abgehalfterten Wehrmachtsoffiziere, gegen die unsereins als Jüngling in den Fünfzigern die Amis zu verteidigen hatte: dass sie, höhö, ihre Neger tüchtig unten hielten (und so durfte man uns nicht vorwerfen, wenn wir unsere Juden … ja, sie waren unvorstellbar grässlich, diese Kriegsteilnehmer). Es war aber die schwarze Musik, die unsere steifen kleinen Hintern in Schwung brachte (eine Musik, die jene Onkels richtig aufgeilte in ihrer Empörung); und im Pantheon der Bundesrepublik findet sich, wie immer wieder erzählt wird, an prominenter Stelle der junge schwarze GI in wunderbar gebügelter Uniform, der mit strahlendem Lächeln von seinem Panzer herab Schokolade und Chewing Gum an die abgerissenen deutschen Jungs austeilt …

An dies ikonische Bild von Großzügigkeit und Souveränität schließt Obama unmittelbar an. So muss die Bundesrepublik seine Präsidentschaft innig unterstützen – umso inniger, als unser Antiamerikanismus, dem George W. Bush die ganze Zeit direkt zuarbeitete, keineswegs zu den ideologischen Beständen zählt, auf die wir besonders stolz sind. Im Grunde stimmen wir mit Jürgen Habermas überein, nicht wahr, der vergangenen Herbst bei einem philosophischen Colloquium der SPD wiederholte: Mit Kant muss man auf eine starke Republik hoffen, die in der Welt die Herrschaft von Freiheit und Demokratie befördert; Kant hatte das revolutionäre Frankreich vor Augen, heute können es nur die Vereinigten Staaten sein. Oder erwarten Sie die Ausbreitung des ewigen Friedens vom autoritär-kapitalistischen China?

Nein, ich bin nicht für John McCain. Aber seit ihn das Zentralorgan des liberalen Imperiums, die New York Review of Books, vor Jahren mal als Kandidaten der Republikaner porträtierte, zähle ich ihn zu den Personen der Gegenseite, welche plausibel machen können, dass man auf der Gegenseite ist. Taking the role of the other, eine elementare Möglichkeit, gerade wenn es um Wahlen geht, bei denen man darauf gefasst sein muss, dass die Gegenseite sie gewinnen kann. McCain ist ein Mann von ganz anderem Standing als il presidentino, der uns acht Jahre quälte und, wenn ich mich richtig erinnere, erfolgreich einzig eine Football-Mannschaft gemanagt hat. Sonst immer der Loser. Finden Sie nicht, er schaut inzwischen so aus, als ob er wieder trinkt?

Mit Hillary und Obama, spottete neulich mein alter Freund Theckel, sind wir in einer Win-win-Situation. Und mit McCain im Win-win-win. Gelächter. Zu schade, dass das bald vorbei ist und die Entscheidung fällt. Meinen alten Freund Theckel, der in den letzten Jahren aus Daffke immer weiter ins Reaktionäre abtrieb, verjüngen die Vorwahlen geradezu. Dabei war noch gar nicht von Inhalten die Rede, auf die man in unseren Kreisen so stolz ist, das Weltklima, die soziale Ungleichheit, der Krieg in Afghanistan, der Krieg im Irak, das Elend der Dritten Welt, der militante Islam, die fossilen Brennstoffe.

Stimmt. Das kommt später. The job makes the man/the woman. Worauf wir uns aber schon mal einstellen sollten, den Meister Luhmann lesend, dass es keine mögliche Aufgabe der Politik ist, die Dinge endgültig in Ordnung zu bringen. Nicht einmal annähernd.

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