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Oh, wie schön ist China!

Die „Lügen“ westlicher Medien haben am Wochenende in Berlin und in vielen anderen Städten tausende Chinesen auf die Straße gebracht – eine Opposition, die in ihrer Heimat nicht denkbar wäre

AUS BERLIN SVEN HANSEN

„Deutsche Medien: Keine Lügen!“, hallt es durch die Friedrichstraße. Vom dortigen Bahnhof aus ziehen am Samstag mehr als 3.000 in Deutschland lebende Chinesen friedlich zum Potsdamer Platz. Sie tragen hunderte Flaggen – rote wie schwarz-rot-goldene. Die meisten Demonstranten sind chinesische Studenten. Ihr Zorn richtet sich gegen die Berichterstattung über die Unruhen in Tibet und die Proteste beim olympischen Fackellauf.

„Die Berichterstattung in Deutschland hat die chinesischen Gefühle verletzt,“ sagt Shen Qin. Der Wirtschaftsberater, der seit 1985 in Berlin lebt, ist einer der Organisatoren des Protests. Shen ist überzeugt, dass die meisten Medien nicht die Wahrheit berichtet haben. Als Beispiele für voreingenommene Berichterstattung führen er und andere immer wieder an, dass westliche Medien, auch deutsche Sender und Zeitungen, antichinesische Proteste aus Tibets Hauptstadt Lhasa mit tibetischen Protesten aus Nepal oder Indien bebildert haben.

Auf die Frage, warum er denn nicht für freie Berichterstattung aus Tibet demonstriere, sagt Shen, Chinas Regierung würde dorthin doch mittlerweile Gruppenreisen für Journalisten organisieren. Auf den Einwand, dass freie Berichterstattung doch etwas anderes sei, sagt er, das könne er nicht beurteilen. Und ein Mitdemonstrant: „Selbstverständlich dürfen nur neutrale Journalisten nach Tibet und nicht, wer von vornherein negativ eingestellt ist.“

Mehrere Demonstranten tragen vorgefertigte Schilder mit der Aufschrift „Pressefreiheit ist nicht Freiheit für Lügen“. Manche werfen deutschen Medien Volksverhetzung vor. Als ein Passant ruft, „In Deutschland dürfen die Medien sogar lügen, in China dürfen sie nicht einmal die Wahrheit berichten“, bleiben die Demonstranten stumm. Sonst rufen sie meistens: „Ein China für immer!“ oder „One World, one Dream“ – das Motto der Olympischen Spiele von Peking.

Hinter den westlichen Medienlügen stehe die Angst vor Chinas Aufstieg, meint eine Demonstrantin, die ihren Namen nicht nennen will. Ihre Kritik gilt dem Wochenmagazin Der Spiegel. „Er beschreibt China als Monsterland“, sagt sie. „Wer in China war, hat ein anderes Bild.“ Sicher habe das Land auch hässliche Seiten. Aber China brauche Zeit, um sich zu demokratisieren. Bereits vergangenes Jahr hatte Der Spiegel mit der Titelgeschichte „Die gelben Spione“ über chinesische Wirtschaftsspionage die in Deutschland lebenden Chinesen erzürnt. Der Artikel erinnerte an Warnungen vor der angeblichen „Gelben Gefahr“ und erklärte in Deutschland lebende Chinesen pauschal zu Handlangern des Regimes.

Die meisten Demonstranten reagieren verunsichert, wenn sie angesprochen werden. Mit Journalisten wollen sie lieber nicht reden. Einige tragen Fotos von fünf Verkäuferinnen, die in Lhasa in einem Geschäft verbrannten. Tibeter hatten es bei den Unruhen am 14. März angezündet. Dass die chinesischen Opfer in vielen westlichen Medien nicht vorkamen, gilt als weiterer Beweis für deren Voreingenommenheit. Diese zeige sich auch beim Angriff eines tibetischen Demonstranten auf eine chinesische Sportlerin im Rollstuhl beim Fackellauf in Paris. Der Angriff auf die Behinderte sei in westlichen Berichten über die Proteste ignoriert worden. „Und erst vor wenigen Tagen haben deutsche Medien berichtet, zu den Olympischen Spielen müssten alle ausländischen Studenten China verlassen,“ klagt Flugblattverteilerin Liu Ling. „Auch das ist falsch.“

Verglichen mit dem US-Nachrichtensender CNN kommen deutsche oder britische Medien noch ganz gut weg. CNN steht in der Volksrepublik mittlerweile für „China Negative News“. Parallel zu den Protesten in Deutschland und England gingen am Samstag in Hollywood sowie am Hauptsitz des Senders in Atlanta insgesamt rund 6.000 Chinesen auf die Straße. Seit Ende März dokumentiert zudem die Website anti-cnn.com die Verfehlungen westlicher Medien. Auch ein chinesischer Rapsong macht gegen die Berichterstattung mobil: „Don’t be too CNN“.

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