piwik no script img

DIE WERBEPAUSE: TERROR BEI SHELL

Manch einem treibt der hohe Dieselpreis die Schweißperlen auf die Stirn und die Verzweiflung in die Augen. Shell-Kunden hingegen werden neuerdings von diesem Umstand abgelenkt, nämlich mit der fies instrumentalisierten Angst des Deutschen vor dem internationalen Terrorismus.Morgens an der Tankstelle gestanden, in der Gegend herumgeschaut, und dort liegt, keine drei Meter vom eigenen Wagen entfernt, ein schwarzer Rucksack. Herrenlos. „Lassen Sie ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt“ heißt der gängige Sicherheitshinweis an Bahnhöfen und Flughäfen. Hier aber ist niemand, der keine Aufsicht mehr führt. Hier sind nur der Tankwart und ich. Panik breitet sich aus. Wie war das damals in London, im Juli 2005? Womit transportierten die Terroristen ihre tödliche Fracht? Mit Rucksäcken? Ach ja, deswegen hießen sie auch schnell die „Rucksackbomber“. Und nun liegt hier der schwarze Rucksack, der herrenlose, einfach so in der Gegend herum. Ist diese Tankstelle nicht der ideale Ort, um eine belebte Ausfallstraße in die Luft zu sprengen? An der nächsten Zapfsäule steht noch ein schwarzer Rucksack. Das muss ein von langer Hand geplanter Anschlag sein. Noch mehr Panik. Kalter Schweiß. Der Treibstoffpreis ist längst vergessen. Erinnerungen werden wach, an die anderen mit Gepäck reisenden Attentäter, die zur WM Regionalzüge in die Luft sprengen wollten. Die Sprengsätze waren in Rollkoffern versteckt.Apropos WM: Am Wochenende soll ja Deutschland wieder in Schwarz-Rot-Gold taumeln, diesmal wegen der EM in der Schweiz und Österreich. Sind die Terroristen besonders perfide, oder weshalb klebt auf der Vordertasche des Rucksacks eine Deutschlandfahne?Langsam fühlen wir uns an dieser treibstoffschwangeren Tankstelle wirklich unsicher, auch, weil unter der Decke noch zwei weitere Rücksäcke baumeln, die mit Sprengstoff gefüllt sein könnten. Hat nun das letzte Stündlein geschlagen? Doch weiter hinten, neben dem Tankhäuschen hängt ein Plakat, auf dem genau diese Rucksäcke abgebildet sind? Ein Fahndungsfoto? Nein! Eine Werbeaktion. Viermal tanken – für mindestens dreißig Euro – und man kriegt einen Rucksack gratis.Ja, vielen herzlichen Dank an den internationalen Mineralölkonzern. Nicht für dieses schwarze Gepäckstück, das man wirklich genauso dringend braucht wie den dritten Wasserkocher, sondern für die gelungene, kurzzeitige Ablenkung vom Spritpreis. NATALIE TENBERG FOTO: ARCHIV

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen