: „Im Fernsehen ist Deutschland noch weiß“
Samy Deluxe ist die Rapgröße Hamburgs. Ohne jedes Gangstergehabe. In seinem Projekt „Crossover“ bringt er Jugendliche zusammen, die sich sonst nie begegnet wären. Ein Gespräch über seine Großmutter, Jugendslang und ein reiferes Deutschland
taz: Samy Deluxe, Sie fordern: Migranten sollen besser Deutsch sprechen…
Samy Deluxe: Ja.
Sie rappen aber im Jugendslang.
„Digga“ und „Alda“ gehören einfach zur Jugendkultur. Wenn ich mit meinen Kumpels auf Partys bin, dann wird man innerhalb einer halben Stunde geschätzte 47-mal das Wort „Digger“ aus meinem Mund hören. Das ist in Ordnung, solange man auch die Sprache der Erwachsenen kann – das sag’ ich immer wieder.
Jetzt gerade zum Beispiel reden Sie „erwachsen“.
Ja, das muss man drauf haben. In allen Beziehungen, die man führt. Wenn man es nicht schafft, die eigenen Gefühle auf den Punkt zu bringen, ist man frustriert. Genau das ist der Grund, warum viele Leute aggressiv sind, sich prügeln und ausflippen.
In der Rap-Szene gibt es einige, die in Interviews keinen korrekten Satz zusammenkriegen und ein aggressives Gangster-Image vermitteln. Wie stehen Sie dazu?
Ich habe immer gesagt: Ich freue mich, dass Ausländer durch Rap ein Sprachrohr haben. Andererseits sehe ich, was das bei den Jugendlichen verursacht: Wo ich auch hinkomme, sind die Jugendlichen aggressiver und nehmen das Gangstergehabe auf. Ich erwarte von Rappern, dass sie verantwortungsbewusst mit ihrem Erfolg umgehen.
Früher haben Sie ja häufig über das Kiffen gerappt …
Stimmt, ich selber habe mit Anfang 20 auch andere Texte geschrieben. Gerne übers Kiffen – Jahre später kamen dann Leute und meinten: „Hey cool, ‚Grüne Brille‘ war damals der geilste Song. Deswegen hab ich auch angefangen zu kiffen.“ Da dachte ich: Okay, das ist nicht wirklich der Grund, warum ich Musik mache. Ich will nicht Leute zum Drogenkonsumieren bringen.
… und heute?
Ich denke, wenn es möglich ist, Leute negativ zu beeinflussen, dann kann man sie auch positiv beeinflussen. Deshalb behandelt mein neues Album ernstere und persönliche Themen wie Rassismus und das Leben in Deutschland. Außerdem habe ich den Verein „Crossover“ gegründet und unterstütze andere Projekte wie die Aids-Kampagne, die es seit drei Jahren gibt. Andere Rapper werden auch mit den Jahren checken, dass sie sich erwachsener verhalten müssen.
Worum geht es bei ihrem Projekt „Crossover“?
Marvin Willoughby, Julia von Dohnanyi und ich haben den Verein im vergangenen Jahr gegründet. Unser Konzept ist, dass wir mehrere Schulen zusammenbringen: eine aus dem „besseren“ und eine aus dem „schlechteren“ Viertel. Ich mache mit den Kids Rap-Workshops mit Songs über Deutschland. Marvin, ehemaliger Profi-Basketballer, macht Basketball-Workshops und Julia kümmert sich um die Organisation. Die Message, die wir rüberbringen wollen, ist, dass man teamfähig sein muss. Egal ob man Ausländer oder Deutscher, weiß oder schwarz, dies oder das ist. Man muss mit den Leuten klar kommen.
Das klingt sehr einfach. Als einziger Farbiger in der Familie haben Sie vermutlich erlebt, wie schwer das Leben ist, wenn man anders ist als die Mehrheit.
Das habe ich bei meiner Großmutter gemerkt. Sie hat mir irgendwann erzählt: „Als du klein warst, habe ich deine Haare immer ganz lange gestreichelt, damit sie nicht so kraus werden.“ Es war komisch, dass selbst die eigene Oma nicht wirklich wahrhaben will, dass du das bist, was du bist.
Woher kommt Ihr Wandel zum engagierten Rapper?
Im Rap-Business kann man nicht ewig arbeiten – es gibt keine 40-jährigen erfolgreichen Rapper. Und jetzt, wo ich die Möglichkeit habe, kann ich mir meine Nische bauen und die Öffentlichkeit für die Themen nutzen, die mir wichtig sind. Ich will meinem Sohn, der jetzt sieben Jahre alt ist, ein gutes Vorbild sein. In 20 Jahren soll er in einer besseren Welt leben als ich heute.
Was stört Sie denn an der heutigen Welt?
Wenn man durch die Straßen geht, sieht man: Dieses Land wird immer bunter. Wenn man aber den Fernseher einschaltet, dann ist Deutschland immer noch weiß. Das muss sich ändern. Deshalb habe ich mir was Neues für das Kürzel BRD ausgedacht: Nicht mehr Bundesrepublik Deutschland, sondern: Bunteres, reiferes Deutschland.
Inwiefern reifer?
Das Problem in Deutschland ist: In Deutschland heißt „nicht deutsch aussehen“ auch „nicht deutsch sein“. Das kann sich nur ändern, wenn Leute mit Migrationshintergrund in Positionen sind, wo das Land sie überall sieht. Nicht in Positionen wie „das ist mein türkischer Gemüsemann an der Ecke“, sondern „ah, der ist Nachrichtensprecher, der hat einen türkischen Migrationshintergrund“. Das will ich sehen, wenn ich den Fernseher anschalte.
Sie sieht man inzwischen häufig im Fernsehen.
Nur leider gibt es nicht überall einen Samy Deluxe, sonst wär‘ die Welt ja viel besser (lacht). INTERVIEW: KÜBRA YÜCEL
Fotohinweis:SAMY DELUXE, 30, eigentlich Samuel Sorge, wuchs in Hamburg-Eppendorf auf und war um das Jahr 2000 wohl der bekannteste deutsche Rapper.
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