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schlossdebatteKritikertreffen im Netz

Palast oder Schloss, das ist auf dem Schlossplatz längst nicht mehr die Frage. Der Palast ist nahezu abgetragen. Und dass an seiner Stelle ein Gebäude namens Humboldt-Forum mit der Fassade des historischen Schlosses errichtet werden soll, ist eine vom Bundestag beschlossene Sache.

Zu reden gibt es über das umstrittene Bauvorhaben aber noch eine ganze Menge. Das zeigt das Informationsportal und Diskussionsforum www.schlossdebatte.de, das seit Montag online ist. 30 Beiträge von Architekten, Politikern, Architekturkritikern und Bauexperten beschäftigen sich mit der möglichen Nutzung des Humboldt-Forums, den Feinheiten der Schlossfassadenrekonstruktion und dem ewigen Dissens zwischen Anhängern des Historismus und der Moderne. Für Neueinsteiger erklärt ein Glossar Schlüsselbegriffe der jahrelangen Debatte von „Agora“ bis „White Cube“.

Ausgedacht hat sich das Portal die Gruppe Urban Catalyst um den streitbaren Architekten Philipp Oswalt. Sie gehörte zu den schärfsten Kritikern von Palastabriss und Schlossneubau. Es ist daher kein Wunder, dass sich auf schlossdebatte.de viele Stimmen wiederfinden, die schon 2006 in Initiativen wie „Palastbündnis“ oder „Palastretter“ aktiv waren. Der Architekturkritiker Bruno Flierl sinniert über Identitätssuche auf der Spreeinsel, während Philipp Oswalt das Geschäftsgebaren des privaten Fördervereins Berliner Stadtschloss beleuchtet.

Dennoch ist www.schlossdebatte.de nicht bloß ein reines Forum für Gegner der Regierungspläne. Unter der Rubrik Nutzung finden sich Beiträge zu einer konkreten, finanzierbaren und sinnvollen Nutzung des Humboldt-Forums. Wer sich hier durchklickt, erkennt: Bisher existieren lediglich genaue Vorstellungen darüber, wie der Neubau aussehen soll. Für sein Innenleben gibt es noch kein vernünftiges Konzept.

Dieses in fundierten Beiträgen voranzutreiben und kritisch zu begleiten, könnte eine Aufgabe des neuen Schlossplatz-Portals werden. Es wäre ja auch schade, wenn die ganze Leidenschaft, die von Anfang an die Schlossfrage begleitet hat, an ein paar Barockfassaden Halt machen würde. Das bislang recht nebulöse Humboldt-Forum könnte ein paar inhaltliche Anregungen jedenfalls gut gebrauchen.

Künftig soll die Seite als Blog über den aktuellen Stand in Berlins „historischer Mitte“ informieren. Zumindest gegenüber der Palastruine wird es bald Bewegung geben: Am 29. Oktober soll der White Cube, Berlins neue temporäre Kunsthalle, eröffnet werden. Spannend wird auch der Wettbewerb zur „temporären Freiraumgestaltung“ auf der Schlossruine. Der Schlossplatz lebt – gut, dass wieder jemand ein kritisches Auge darauf hat.

NINA APIN

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