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„Idyllisch“ ist nur die halbe Wahrheit

Alltag auf Phuket, der größten Insel Thailands: Die kleinen, selbstständigen Betriebe sind schwache Gegner der großen internationalen Hotelketten. Die schreiben sich Ökologie auf die Fahnen, um nicht der Profitgier verdächtigt zu werden

von GEORGES HAUSEMER

Auf ihre Nachbarn ist Preeda Changlek nicht gut zu sprechen. Doch wenn die 41-Jährige vom gelegentlich schwierigen Zusammenleben erzählt, lächelt sie. Sie nippt an ihrem Limonensaft und antwortet geduldig auf alle Fragen. Samtenes Licht fällt auf die schlanken, mit bunten Tüchern und Blumengirlanden geschmückten Boote, die nah am Ufer dümpeln. Allerdings verrät die idyllische Szenerie nur die halbe Wahrheit über Bang Tao Beach. Die andere Hälfte erzählt Preedas Geschichte.

Seit 1987 betreibt sie an der Westküste von Phuket, der größten Insel Thailands, ihr eigenes Restaurant: Preeda’s Kitchen. Anfangs standen dort zwei Tische und acht Stühle. Getrocknete Palmzweige und Bananenblätter, die auf vier Holzpfosten ruhten, formten das Dach. Heute wartet das zur Meeresseite offene Lokal mit rund dreißig Tischen und einem reichhaltigen Angebot an kulinarischen Thai-Spezialitäten auf. Preeda selbst steht nur noch ausnahmsweise am Herd. Momentan hat sie andere Sorgen. Es geht um die Zukunft von Preeda’s Kitchen, um die Existenz auch der anderen kleinen Restaurants und Geschäfte am Strand von Bang Tao.

Die eingangs erwähnten Nachbarn machen Preeda und ihren Kollegen seit geraumer Zeit das Leben schwer: Die Fünf-Sterne-Resorts von Laguna Beach sind mit dem Anspruch angetreten, in dieser Ecke von Phuket Tropenträume auf höchstem Niveau zu erfüllen. Dass das bislang nicht zur vollsten Zufriedenheit der Hotelbesitzer gelungen ist, hat angeblich einen einfachen Grund: die Präsenz der Einheimischen, die am Strand Imbissbuden, Bikiniboutiquen und Surfläden führen, die Tauchkurse, Bootsfahrten und Massagen anbieten.

„Man will uns von hier vertreiben“, sagt Preeda, die vor sieben Jahren schon einmal umziehen musste, weil ihre Küche anscheinend nicht in das Bild von der makellosen Exotik passte, das die fünf Luxusherbergen ihrer Kundschaft präsentieren möchten. Damals errichtete die lokale Bevölkerung Straßenbarrikaden, die Betroffenen riefen zu Protestkundgebungen auf. Mit dem Resultat, dass die Thai-Geschäfte zwar weiterbestehen durften, aber auf einen entlegeneren Abschnitt des sieben Kilometer langen Strandes verbannt wurden.

Dass auch derzeit wieder Gespräche mit den örtlichen Behörden laufen, um die illegalen Buden definitiv von Bang Tao zu entfernen, streitet Amanda Tetzner, die Marketingchefin des Sheraton Grande, vehement ab.

„Im Gegenteil“, so ihre Erklärung, „wir möchten den Kontakt zwischen unseren Gästen und der einheimischen Bevölkerung gezielt fördern.“ Geschasst werden sollen laut Tetzner ausschließlich die fliegenden Händler, die den Erholungssuchenden „mit häufig aufdringlichen Methoden“ Batikhemden und Strohhüte, Plastiktütchen mit Ananasstücken, Bananenküchlein und Grillspieße anbieten und die Fremden auf diese Weise in unzumutbarem Maße belästigen würden.

Doch um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das Wohl der Einheimischen liegt den Hotelmanagern nach eigener Aussage nicht weniger am Herzen als das der Urlauber. Zum Nutzen aller wurden Müllrecycling- und Kläranlagen gebaut, ja, die Sheraton-Verantwortlichen sind sich nicht einmal zu schade, mit stolz geschwellter Brust zu verkünden, dass sie den Bewohnern von Choeng Thale regelmäßig ihre ausgemusterten Matratzen spenden.

Auch das ökologische Denken ist en vogue: Am 15. Dezember 2001 lud das JW Marriott Resort Phuket zur feierlichen Eröffnung. Der Veranstaltung fern blieben die Tierschützer, die sich erfolglos gegen den Bau der luxuriösen Hotelanlage in unmittelbarer Nähe des nationalen Marineparks Sirinath und der Schutzzone für Seeschildkröten gewehrt hatten. Möglicherweise wird trotzdem irgendwann eine Verständigung möglich sein. Um nicht des reinen Profitdenkens beschuldigt zu werden, planen die Hotelbetreiber nämlich gemeinsam mit der thailändischen Sektion des World Wildlife Found die Gründung der „Mai Khao Marine Turtle Foundation“.

Vor allem die angestammten Nistplätze der bis zu 600 Kilo schweren, fast zwei Meter langen Lederschildkröten, die alljährlich zwischen November und Februar am Strand von Mai Khao, also gewissermaßen unter den Gästezimmerbalkonen, ihre Eier ablegen, sollen nicht unter einer rücksichtslosen Ausbreitung des Fremdenverkehrs leiden. Ein erster Schritt in diese Richtung ist bereits getan. Als Emblem schmückt eine stilisierte Meeresschildkröte sämtliche Prospekte, das Briefpapier, die Briefumschläge, die Schlüsselanhänger und alle anderen Objekte des Hotels, die dessen „Corporate Identity“ ausmachen.

Besonders ansprechend ist die Pressemappe geraten. Deren Umschlag besteht aus dem traditionell aus der Rinde des Maulbeerbaums gepresstem Saa-Papier, in das zur Musterung Blätter des Bananenbaums und der Kokospalme eingearbeitet sind. Die Verschlüsse in Schildkrötenform haben, wie Lee Sutton, die Pressesprecherin, unterstreicht, lokale, teilweise körperbehinderte Kunsthandwerker mit dem Stichel aus den Schalen alter Kokosnüsse ausgehoben. Auch diese Initiative fällt unter die „Spirit to Serve Our Community“-Devise der Marriott-Gruppe, die ihr Personal vornehmlich in der Bevölkerung vor Ort rekrutiert, den neuen Mitarbeitern Englischunterricht anbietet und sie so gezielt auf das Gastgewerbe der Zukunft vorbereitet. Nur Preeda, die Köchin, wird von diesem Angebot kaum Gebrauch machen wollen.

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