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Chávez hat wieder Oberwasser

Das Ende des Generalstreiks wertet Venezuelas Präsident als Sieg über die Opposition. Die spricht von einer neuen Phase der Proteste, ist aber komplett gespalten. Referendum über Rücktritt des Staatschefs könnte im kommenden August stattfinden

von GERHARD DILGER

„Im Kampf um das Vaterland haben sich der Wille des Volkes und die bolivarische Verfassung durchgesetzt“, jubelt Hugo Chávez. Sieben Stunden zelebrierte Venezuelas Staatschef in seiner sonntäglichen Live-Sendung „Aló Presidente“ das Ende des Streiks, mit dem die bürgerliche Opposition zwei Monate seinen Abgang erzwingen wollte: „Wir haben endgültig gegen einen perversen, böswilligen, kriminellen Destabilisierungsversuch gesiegt, durch den Venezuela und die Revolution versenkt werden sollten.“ Die von der Opposition propagierte Alternative „Volksabstimmung oder Bürgerkrieg“ sei gescheitert.

Anders sehen das die Wortführer der „Demokratischen Koordination“. „Der Protest geht in eine neue Phase“, sagte Generalsekretär Jesús Torrealba. Da der Oberste Gerichtshof die für den Sonntag geplante Volksabstimmung als verfassungwidrig kassiert hatte, sammelte die Opposition Unterschriften für Neuwahlen. Über vier Millionen hätten sich beteiligt, sagte Albis Muñoz, Vizepräsident des Unternehmerverbandes Fedecámaras. Damit habe man Chávez’ Ergebnis bei der Präsidentenwahl 2000 übertroffen und ausgedrückt, dass „das Volk“ das Festhalten des Präsidenten an der Macht „eindeutig ablehnt“.

Allerdings standen acht Optionen zur Auswahl – von der Forderung nach Chávez’ Rücktritt bis zur Ablehnung einzelner wirtschaftspolitischer Maßnahmen. Deutlicher hätte die Opposition ihre Zerrissenheit kaum demonstrieren können. „Weil sie keine klare Strategie hat, konnte Chávez wieder in die Offensive gehen“, sagt Regierungskritiker Alberto Garrido. Ein gemeinsamer Kandidat, der es bei künftigen Wahlen mit Chávez aufnehmen könnte, ist nicht in Sicht.

In den vergangenen Wochen war die Streikfront gebröckelt. Geschäfte, Banken, Schulen und Universitäten sind nun wieder geöffnet, doch die Versorgungsengpässe halten an. Zwar befinden sich noch tausende Ölarbeiter im Ausstand, aber Chávez nutzte den Streik, um etwa 3.000 Funktionäre der staatlichen Ölgesellschaft PDVSA zu entlassen. Die Ölförderung nähere sich der Marke von zwei Millionen Barrel am Tag, behauptet der Präsident – das wären bereits zwei Drittel der normalen Kapazität.

Als wahrscheinlichstes Szenario gilt nun ein „Rücktrittsreferendum“, das laut Verfassung nach der Hälfte der Amtszeit aller Mandatsträger möglich ist – im Falle Chávez also im kommenden August. Der Präsident hatte sich von Anfang an für diese Lösung stark gemacht – und vor zwei Wochen den Rückhalt von Friedensnobelpreisträger Jimmy Carter erhalten, der vor Ort vermittelte.

Der „Demokratischen Koordination“ wird sich auf dieses Verfahren einlassen müssen. Pikant dabei: Laut Verfassung müssten mindestens genauso viele Wähler gegen Chávez stimmen wie zuletzt für ihn – 2000 waren es 59,8 Prozent. Dass in absehbarer Zeit die Polarisierung der Gesellschaft abnimmt, erwartet allerdings niemand. „Weder Regierung noch Opposition haben den Willen gezeigt, aufeinander zuzugehen“, sagt Antonio González von der Menschenrechtsorganisation Provea. Der Gegenseite werde das Recht und die Legitimität auf ihre politische Vision abgesprochen, der Rechtsstaat weiter ausgehöhlt. Auch hat der Streik die Rezession verschärft. Dass Chávez nun die „glänzendsten Tage seines Lebens“ erlebt, dürfte selbst seinen Anhängern nur ein schwacher Trost sein.

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