: Krieg bekommt Namen
Die Sieger und Preise im großen historischen Wahrheit-Leserwettbewerb
Was brauchen wir Historiker, wenn wir die Wahrheit-Leser haben?, freuten sich die Wahrheit-Redakteure, als sie den Berg Postkarten sichteten, die ein ächzender Postbote in den vierten Stock des Berliner taz-Gebäudes gewuchtet hatte. Am vergangenen Samstag riefen wir die Wahrheit-Leser dazu auf, die Begriffshoheit zu gewinnen und dem Krieg im Irak einen Namen zu geben. Nach intensivem Studium der Post präsentieren wir heute die Gewinner im großen historischen Wahrheit-Leserwettbewerb „Krieg braucht Namen“.
Gleich aus dem Rennen waren die unzähligen Einsender, die auf das Naheliegende kamen: „Bush-Fire“. Auch die Variante „Bush-War“ war sehr beliebt, muss jedoch ebenso abgelehnt werden, da beide Begriffe eher auf einen afrikanischen Dschungelkrieg anspielen, die irakische Wüste aber völlig ignorieren.
Sehr leicht machten es sich auch viele Leser wie zum Beispiel Bernd Karge aus Lindau, die das Wort „Ölkrieg“ vorschlugen. Es ist eine Spur zu schlicht für ein solch weltweit bewegendes Ereignis, und da hilft es auch nicht, liebe Petra Becker aus Vaihingen, den Titel hoffnungsvoll aufzublähen: „Der letzte große Ölkrieg“. Gibt es dann etwa nur noch letzte kleine Ölkriege? Aber auch Jochen Graf aus Schwäbisch Gmünd hat zu tief in die mit Arabesken versehene Schatztruhe der Blumigkeit gegriffen: „Texas letzte Ölung für Saddam Hussein“. Das ist wahrlich kein treffender Name für einen großen Krieg, wir sind hier schließlich nicht in Dodge City!
Noch einfacher sei es, dachten sich manche Leser, den Krieg zu beschimpfen: „Shit“ oder „Massive Bullshit“. Denn „entweder hat er selbiges im Hirn oder ist von selbigem total benebelt“, wie Michael Ackermann aus Schelklingen über den US-Präsidenten schreibt. Das mag einen Kern von Wahrheit in sich tragen, aber wenn schon persönlich, dann auch richtig. George W. Bush aber kommt hier nur indirekt vor.
Als rührender Außenseiter erwies sich Achim Schere aus Köln, der mit seinem Vorschlag „Bushs großer Nahostkrieg“ als einsamer Rufer in der trockenen Ideenwüste stand. So viel solide Sachlichkeit hätte die Jury fast überzeugt, aber auch nur fast ...
Groß war die Gruppe der englischen Wortspieler: „The Last Woild War“ werde es sein, meint Marianne Bayer aus Gießen, während W. Szuk aus Mainz eine „Bush Laden Rebirth“ voraussieht. Da kann Dr. Werner Schairer aus Weinsberg kaum mehr an sich halten und ruft den „Goose“ aus: „George’s Oil and Overkill Strike“. Der nur noch übertroffen wird durch den Vorschlag von Rainer Grimm aus Bayreuth: „The Great Bush Family Revival Rumble“. Uff, vor so viel Wille zum Wörteln verneigen wir uns, aber dafür gibt es keine Preise.
Und damit zu den Siegern. Das heißt, vorab vergibt die Wahrheit-Jury den Sonderpreis der Jury an …, ja, wen wohl? – an sich selbst: für die Kreation „Golf Diesel“. Und auch ein zweiter Sonderpreis wird von der Jury verliehen. Er geht an den Wahrheit-Autor Dieter Grönling für seine an Zappa geschulte Wortschöpfung „The Return Of The Son Of Shut Up ’N’ Drop Yer Bomb“. Dafür gibt es verdientermaßen demnächst ein Getränk in einem bekannten Wahren Lokal, das in Berlin-Schöneberg beheimatet ist.
Und damit zu den wahren Siegern. Das heißt, kurz noch zwei lobende Erwähnungen. Gut gefallen hat der Jury der Titelvorschlag von Olaf Wildeboer: „Enduring Harvest“. Die andauernde Ernte entspricht sehr genau der Schnittermentalität der US-Amerikaner und ist damit leider wiederum eine Spur zu nahe an den Intensionen der Familie Bush. Geradezu vorbildlich hingegen berücksichtigt Nick Peace aus Berlin beide Kriegsparteien: „Saddam Thunder“. Und legt auch gleich eine einleuchtende Begründung vor: „Beide Seiten können sich mit dem Namen identifizieren und müssen nicht verschiedene Namen verwenden wie noch bei ‚Desert Storm/Mutter aller Schlachten‘.“ Sehr wahr! Wer allerdings mit Pseudonym an einem großen historischen Wahrheit-Leserwettbewerb teilnimmt und seine Adresse mit „Peace c/o Beule“ angibt, der wird ewig an den Siegerplätzen vorbeischrammen.
Und damit endgültig zu den Siegern. Platz drei gehört eindeutig Ellen Böning aus Berlin für ihren Vorschlag: „Der homöopathische Krieg“. Die Jury war kurz ratlos und fragte sich dann: Hasst Frau Böning Homöopathen, oder kritisiert Sie die Bombendosierung der Amerikaner? Jedenfalls hatten wir diese Kreation ganz sicher nicht erwartet, und deshalb gibt es als Gewinn einen Touché-Ziegel von ©TOM.
Platz zwei gebürt Roland Odermatt aus Brühl für seinen Vorschlag: „Rumsfeldzug“. Zwar muss Herr Odermatt eigentlich einen Euro in die Wahrheit-Kalauerkasse einzahlen, liegt der Titel doch ähnlich nahe wie die Bush-Wortspiele – und dennoch: Er ist kurz, schnell und aktuell und bringt dem zweiten Sieger ein Buch von einem Wahrheit-Autor und einen Touché-Ziegel.
Erste Siegerin ist Nicole Holldack aus Berlin für ihre Kreation „Iraq Attack“. Sie bekommt ein Buch, einen Touché-Ziegel und eine Touché-Tasse: Erstens für ihre mit einer Friedenstaube verzierte Postkarte, zweitens für ihren Ein-bisschen-Frieden-Namen Nicole und drittens für ihre Erklärung: „In Anlehnung an vorangegangene Blockbuster bietet sich ‚Iraq Attack‘ durch den ergänzenden Sprachrhythmus als Titel für den Movie zum Krieg an.“ Führen die Amerikaner doch, wie wir alle seit der Ausrottung der Indianer wissen, ihre Kriege nur wegen der späteren Verfilmung. Demnächst in Ihrem Theater. Na denn, herzlichen Glückwunsch an alle. MIR
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