: Mafiakrieg in Kroatien fordert weitere Opfer
Chefredakteur und Marketingchef einer investigativen Wochenzeitung bei Autobombenanschlag in Zagreb getötet
SPLIT taz ■ Bestürzung in Zagreb: wieder wurden zwei Menschen Opfer eines Anschlags. Politiker und Kollegen verurteilten den Mord an dem Verleger und Journalisten Ivo Pukanić am Donnerstagabend. Kroatiens Präsident Stipe Mesić sprach von „einem Akt des Terrorismus“. Premier Ivo Sanader erklärte, der Anschlag sei mehr als ein gewöhnliches Verbrechen. „Wir werden nicht zulassen, dass Zagreb ein neues Beirut wird.“
Erst im vergangenen Monat war die 26-jährige Ivana Hodak, Tochter eines prominenten Anwaltes, in der Nähe der Polizeizentrale erschossen worden. Danach hatte Sanader zwei Minister und den Polizeichef entlassen. Noch hat die kroatische Polizei keine konkreten Anhaltspunkte, was die Hintergründe des Anschlags auf Ivo Pukanić betrifft. Klar ist aber, dass der Besitzer und Chefredakteur der Wochenzeitung Nacional am Donnerstagabend mit seinem Marketingchef Niko Franjić auf dem Parkplatz vor dem Bürohaus der Zeitung mit einer Autobombe getötet wurde. Die beiden wollten gerade in ein neues, kugelsicheres Auto einsteigen. „Noch drei Stunden vorher hat er mir den Wagen gezeigt“, sagte der Philosophieprofessor Zarko Puhovski. Ihm könne jetzt nichts mehr passieren, habe Pukanić erklärt. Auf den 47-Jährigen wurde schon vor sechs Monaten in Zagreb ein Anschlag verübt. Danach erhielt er Polizeischutz, der aber auf seinen Wunsch im August eingestellt wurde.
Ivo Pukanić ist eine schillernde Figur. Der in den 90er-Jahren bekannt gewordene Journalist erwarb sich großes Ansehen, weil er viele Skandale und Verstrickungen von Politik und organisiertem Verbrechen aufgedeckt hatte. Trotz der Verdienste wurde er kürzlich aus der Journalistenunion ausgeschlossen. Er hatte Dokumente über die Krankheit seiner von ihm in Scheidung befindlichen Frau veröffentlicht. Nach wie vor galt er aber als einer der bestinformierten Journalisten in Kroatien. In den letzten Jahren seien die Grenzen zwischen Journalismus und Nähe zu bestimmten gefährlichen Kreisen verschwommen. „Er war selbst verstrickt“, vermuten Kollegen.
Sicher ist, dass Pukanić über Verbindungen zu dem inhaftierten Hrvoje Petrać besaß, der als eine der wichtigsten Mafiabosse des Landes gilt. Petrać ist wiederum einer der wichtigsten Zeugen im Prozess gegen Exgeneral Vladimir Zagoreć, der beschuldigt wird, während des Krieges für den Kauf von Waffen bestimmte Gelder unterschlagen zu haben. Der kürzlich aus Österreich nach Kroatien überstellte Zagoreć ist bereit, über die Verwicklung von Politik und Mafia auszusagen. Der Vater der ermordeten Ivana Hodak wiederum ist der Anwalt des Exgenerals. Der Krimi in Zagreb ist mit diesem Mord wohl noch nicht beendet.
ERICH RATHFELDER
meinung und diskussion SEITE 11
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