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Die Klarheit der Geschichte

Konkurrenz für Libeskind: Der Pei-Neubau für das Deutsche Historische Museum ist fertig und ein Architektur-Highlight aus Licht- und Raumerlebnissen geworden. Wochenende „Tag der offenen Tür“

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Haben Sie Lust auf eine „Promenade architecture“? Der französische Architekt Le Corbusier hat den Begriff einmal für das Erleben seiner wunderbaren Villen gewählt. Durch deren Räume flaniert der Bewohner, genießt die Architektur und die Ausblicke in die Natur und wird beglückt von den vielfältigen Perspektiven, die sich im Bau immer wieder neu auftun.

Bei einem Gang durch den neuen Erweiterungsbau des Deutschen Historischen Museums, der gestern fertig gestellt wurde, erlebt der Besucher ein Gleiches. Dem chinesisch-amerikanischen Architektur-Altmeister Ieoh Min Pei ist ein Gebäude gelungen, das man nicht mehr verlassen will. Das kleine, fast dreieckige Museum hinter dem historischen Zeughaus – dem Hauptgebäude des DHM – betritt man über ein raumhohes viergeschossiges Foyer aus Glas, das den Blick bis zum Himmel freigibt. In der riesigen Vitrine aus Licht und Luft begegnen den Besuchern wellenförmig abfallende Treppen, die ins Tiefgeschoss und in die unterirdische Verbindung zum Altbau führen.

Über dem Kopf tun sich offene Galerien und quer durch den Raum führende Stege und Brücken auf, als befinde man sich auf einem Atlantikkreuzer. In die beiden oberen Etagen führt eine bequeme Wendeltreppe, die Pei in einer konstruktivistischen Glasrotunde untergebracht hat. Und ist man oben, blickt man durch weite runde Öffnungen zurück auf die vielen horizontalen und vertikalen Himmelsleitern, in das helle tiefe Foyer, „erkundet die vielen Raumbezüge“ (Pei) und schaut hinaus auf das Zeughaus bis hinüber zur Straße Unter den Linden, Schinkels Neuer Wache und der Oper.

Er habe „Transparenz, Bewegung und Licht, Sehen und Gesehenwerden als einladende Mittel für die Öffentlichkeit“ zum Ausdruck bringen wollen, so der Baumeister der Louvre-Pyramide. Die „inneren Bewegungen sollten wie durch ein Schaufenster erlebbar“ sein. Glas und Licht bildeten den baulichen Widerpart zum daneben liegenden mächtigen Zeughaus, das aus der Vitrine selbst wie ein Objekt aus der deutschen Geschichte betrachtet werden kann.

Hans Ottomeyer, DHM-Direktor, und Knut Nevermann, Ministerialer aus dem Hause der Kulturstaatsministerin, haben in ihren Statements zur gestrigen Eröffnung – nach fast vier Jahren Bauzeit und Kosten in Höhe von rund 50 Millionen Euro – diese Inszenierung von Architektur, Stadt und Funktion auf einen bildhaften Nenner gebracht: Dieses Haus werde dazu beitragen, „Klarheit über die Geschichte zu gewinnen“, sagte Ottomeyer. „In dem vorhandenen Spannungsfeld historischer Bausubstanz“, so Nevermann, „ist eine moderne Architektur geschaffen worden und auf engstem Raum urbane Polyphonie entstanden.“

In der Tat hatte es Pei nicht leicht. Nach der Entscheidung Helmut Kohls 1995, per Handstreich Ieoh Ming Pei als Architekt für den Neubau auszuwählen, musste dieser zwischen den preußischen Superstars Schinkel, Schlüter und Stüler (Neues Museum) auf einem kleinen Eckgrundstück hinter dem Zeughaus planen. Die „schwierige Aufgabe“ (Pei) für ein kleines dreistöckiges Haus für die Wechselausstellungen des DHM löste er mittels einer klaren Distanzierung. Das Dreieck sollte dem großen barocken Altbau, den Pei ebenfalls saniert und der 2004 eröffnet, keine Konkurrenz machen. Klein und fein setzte er die Glasvitrine zwsichen Neu- und Altbau, unauffällig und geschlossen blieb die aus hellem Granit und Sandstein bestehende Straßenfassade nach Norden hin. Hinzu kam, dass Pei – im Unterschied zu vielen Berliner Neubauten im Parlamentsviertel – mit Material und in der Ausführung nicht schlampte, sind doch Planung und Realisierung vom Feinsten. Man wird, neben Libeskinds Jüdischem Museum, schon darum den Pei-Bau zu einem weiteren Berliner Architektur-Highlight zählen können.

Wie sehr es Pei auf den Stellenwert der großen Halle ankam, ist auch daran ersichtlich, dass die Ausstellungsräume mit einer Fläche von 2.700 Quadratmetern nur rund die Hälfte der gesamten Nutzfläche ausmachen. Sie bilden, angedockt an das Glasfoyer – und bis auf einen mit Terrasse und Ausguck –, geschlossene Blackboxes, in denen dann die Objekte zum Tragen kommen sollen. Mit der Fläche des Schlüterbaus (7.500 Quadratmeter) für die Dauerausstellung kommt das DHM auf über 10.000 Quadratmeter deutsche Geschichte.

Neu für Berliner Verhältnisse ist zudem, dass Pei gute Architektur billiger als kalkuliert entstehen ließ. Zwar fing der denkmalgeschützte Altbau bei Aushub der Grube sich ein paar Risse ein. Die vom Finanzminister genehmigten Baukosten in Höhe von 54 Millionen Euro seien aber deutlich unterschritten worden, sagte der Präsident der Bundesbaudirektion Florian Mausbach. Das benachbarte Zeughaus, das der DDR als Museum für Deutsche Geschichte diente, wird 143 Millionen Euro kosten – Sanierung, Rekonstruktion, altrosa Farbanstrich wie im 18. Jahrhundert und mit einem Pei-Glasdach darüber. Kohl hat ganze Arbeit geleistet.

Bevor der Anbau am 24. Mai mit der EU-Sonderausstellung „Idee Europa. Entwürfe zum ,Ewigen Frieden‘ “ eröffnet wird, können die Berliner ihr neues „Architektur-Schmuckstück“ bereits an diesem Wochenende (am Sonnabend und Sonntag von 10 bis 17 Uhr) bei einem Tag der offenen Tür besichtigen.

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