piwik no script img

vorlaufDer Film zur Folterdebatte

„Des Teufels Lehrling“

(23.25 Uhr, ARD)

„In jedem von uns steckt eine Bestie, man muss sie nur wecken“. Das harte Verdikt kommt aus berufenem Munde, denn Mikael weiß, wovon er spricht. Wenn er sich heute eine Zigarette anzündet, denkt er „an verbranntes Fleisch“. Mit 18 hat sich der gebürtige Belgier mit türkischem Familienhintergrund entschlossen, seinen Militärdienst im Land seiner Vorfahren zu leisten. Schon bald wurde der türkische Geheimdienst auf den jungen Mann aufmerksam, der sich nicht nur durch seinen Kurdenhass auszeichnete, sondern mit vier Sprachen aufgewachsen war. In der Garnisonsstadt Eskisehir erlernte Mikael im sechswöchigen Schnellkurs, wie man Menschen mit grausamer Folter zum Sprechen bringt – Ärzte und Intellektuelle, Kleinkriminelle wie Straßenkinder. Den heute 35-Jährigen selbst hat Grimme-Preisträger Wilfried Huismann zum Reden gebracht: In „Des Teufels Lehrling“ erzählt Mikael freimütig über die dunklen Seiten seiner Geschichte, die ihn auch acht Jahre nach seinem Ausstieg aus dem Geheimdienst noch nicht losgelassen hat. Seine detaillierten Schilderungen fügen sich zu einem beklemmenden, erschütternden Dokument einer gebrochenen, intelligenten Persönlichkeit, die offen über Angst, Feigheit, eiserne Disziplin und falsch verstandenen Patriotismus spricht. Keinen Zweifel lässt Mikael damit aber auch an den lamentablen Zuständen im Nato-Land Türkei, das sich bislang offiziell zu den Vorwürfen des ehemaligen Geheimdienstlers nicht äußern will und eine Mauer des Schweigens um die systematischen Menschenrechtsverletzungen errichtet hat.

Regisseur Huismann (zuletzt: „Lieber Fidel“) hat sein beeindruckendes Porträt konzentriert und eher zurückhaltend ins Bild gesetzt. Seine Kamera bleibt eng auf dem Gesicht des Interviewpartners und überlässt so den Zuschauern die Wertung eines Menschen, der seine Biografie schonungslos offen legt. Nicht zuletzt vor dem aktuellen Hintergrund der Diskussion um Folter hierzulande ist Huismann damit ein außerordentlicher Dokumentarfilm gelungen – über eine formierte Gesellschaft, deren Militär-Elite sich bis heute jeder parlamentarischen Kontrolle entzieht. RAINER BRAUN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen