: Flucht vor dem Krieg
Wenn der Krieg gegen Saddam Hussein beginnt, werden Millionen Iraker fliehen, schätzt die UNO. Im Nordirak sind tausende Kurden schon unterwegs. Aber Iran und Syrien machen Grenzen dicht
BERLIN taz ■ Rund um den Irak bringen sich Hilfsorganisationen in Stellung, um den erwarteten humanitären Konsequenzen eines Konflikts zu begegnen. Bis zu 600.000 Flüchtlinge und bis zu drei Millionen Binnenvertriebene erwartet die UNO nach Kriegsausbruch. Die Hälfte der Flüchtlinge wird im Iran erwartet, weitere mögliche Ziele sind Jordanien, Syrien und die Türkei. Zehntausende Kurden aus Nordiraks Städten haben sich bereits auf den Weg in die Berge an der türkischen und iranischen Grenze gemacht.
Irans Regierung will fliehende Kurden allerdings nicht aufnehmen. „Die Flüchtlingskrise im Nordirak muss im Irak gelöst werden“, sagte Ahmad Hosseini, Leiter des Krisenstabs im iranischen Innenministerium. Man sei lediglich bereit, bis zu 200.000 Fliehende aus dem Südirak aufzunehmen, und auch nur, wenn diese vor B- oder C-Waffen auf der Flucht seien.
Auch Syrien hat seine Grenzen für irakische Flüchtlinge geschlossen. Wie die „Gesellschaft für bedrohte Völker“ berichtet, erfolgte die Schließung Dienstagmittag. Viele Flüchtlinge säßen nun fest. In Jordanien sind der Rote Halbmond und das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) dabei, 60 Kilometer vor der Grenze Auffanglager für bis zu 10.000 Iraker einzurichten – ein Bruchteil des Bedarfs.
Wenn fliehende Iraker es nicht bis in die Nachbarländer schaffen, werden sie während eines Krieges vermutlich ohne Hilfe auskommen müssen. Die UN-Agenturen gehen davon aus, dass sie erst nach Kriegsende im Irak selbst arbeiten können werden. Lediglich das Internationale Rote Kreuz (IKRK) und lokale Roter-Halbmond-Gesellschaften könnten auch unter Kriegsbedingungen im Irak tätig werden. Die Koordinierung von Hilfe für die erwarteten Binnenflüchtlinge im Irak hat die UNO in die Hände der Internationalen Organisation für Migration (IOM) gelegt – aber die IOM hat im Irak keine Büros oder Ressourcen.
Das UNHCR hat ein Drittel der 60 Millionen US-Dollar, die es nach eigenen Angaben zur Versorgung von Flüchtlingen außerhalb des Iraks braucht. Aber ein großer Teil dieser Gelder wurde von Hilfsbudgets in Afghanistan und auf dem Balkan abgezogen.
Die Hilfsvorbereitungen der Geberländer, so ein Vorwurf von Hilfswerken, sind aus politischen Gründen zu spät angelaufen. „Man hat lange so getan, als würde es ein Flüchtlingsproblem nicht geben – um nicht denjenigen Argumente an die Hand zu geben, die den Krieg befürworten“, sagt gegenüber der taz Rüdiger Ehrler von der Deutschen Welthungerhilfe in Jordanien.
Nicht nur die Angst vor dem Krieg treibt die Iraker in die Flucht. Auch die Lebensmittelverteilungen im Rahmen des Öl-für-Lebensmittel-Programms der UNO werden jetzt eingestellt. 60 Prozent der 23 Millionen Einwohner des Iraks waren bisher von diesen Rationen abhängig.
D. J.
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