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Chefgrüner Bütikofer droht mit Ausstieg

Grüne machen notfalls beim Zuwanderungsgesetz nicht mit. Schily: Grüne sind Verhandlungspartner wie andere auch

BERLIN taz ■ Kaum haben sich SPD und Grüne vom ersten Schock des Kanzler-Rücktritts als Parteichef einigermaßen erholt, droht neuer Ärger in der Berliner Koalition. Vor den entscheidenden Verhandlungen über das Zuwanderungsgesetz traten gestern erneut deutliche Unterschiede zwischen den Regierungsparteien zutage. Während Innenminister Otto Schily (SPD) seine Kompromissbereitschaft betonte, drohte Grünen-Chef Reinhard Bütikofer indirekt mit einem Ausstieg aus den Verhandlungen mit der Union.

Auslöser für die rot-grünen Unstimmigkeiten war ein Interview des saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU), in dem er eine Einigung zwischen Union und SPD ohne die Grünen in Aussicht stellte. „Im Interesse einer Verbesserung würde ich mir wünschen, dass SPD und Union zu einer Verständigung gelangen“, sagte der Verhandlungsführer der Union der Welt. Feinsinnig fügte Müller hinzu: „Und dann müssen alle anderen Parteien sehen, wie sie sich dazu verhalten.“

Auf den ersten Blick schien Müller damit nur die altbekannten Einschätzungen aus der Union zu wiederholen, wonach man sich mit Schily durchaus einigen könne und das Problem nur die renitenten Grünen seien. Bisher waren solcherlei Spitzen von Regierungsseite stets mit dem Hinweis zurückgewiesen worden, SPD und Grüne ließen sich bei der Zuwanderung nicht auseinander dividieren. Nicht so gestern. Eine Sprecherin Schilys erklärte lediglich, dass die SPD sich eine Einigung ohne die Grünen vorstellen könnte, sei „reine Spekulation“. Ein Dementi hört sich anders an.

Wirklich aufhorchen ließ den kleinen Koalitionspartner jedoch eine Bemerkung der Schily-Sprecherin, die Grünen seien bei den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss genauso ein Partner wie CDU und FDP. Wenn das die neue Linie darstelle, würde dies „die Aufkündigung der Koalition bedeuten“, hieß es dazu erschreckt in grünen Kreisen.

Offiziell übernahm es Parteichef Bütikofer, auf die Äußerung aus dem Hause Schilys zu reagieren. Der Obergrüne nannte die Positionen der Union „für uns vollständig unakzeptabel“. Die Grünen behielten sich vor, „ein Verhandlungsergebnis negativ zu beurteilen, wenn es unseren Kriterien nicht entspricht“.

Im grünen Parteirat hatte sich Bütikofer zuvor Teilnehmern zufolge „breite Kritik“ anhören müssen, weil er kürzlich Zugeständnisse angedeutet und das Punktesystem für Neueinwanderer zur Disposition gestellt hatte. Wie es hieß, „mussten ein paar Leute lachen“, als sich Bütikofer in der Sitzung rechtfertigte, inhaltlich habe es doch „keine Differenzen“ zwischen seinen Äußerungen und den Äußerungen anderer Grünen-Politiker gegeben. Vor der Presse sagte der Parteichef, die Kritik an ihm belege die „außerordentlich große Sensibilität in unserer Partei bei dieser Frage“. LUKAS WALLRAFF

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