: Amerikanische Granaten auf Reporter
Die US Army beschießt Journalistenbüros in Bagdad. Ein Berichterstatter stirbt im Al-Dschasira-Büro, zwei im Hotel Palestine
KAIRO taz ■ Der Nachrichtensprecher des arabischen Fernsehsenders al-Dschasira schluchzte, nachdem er die Meldung vom Tod seines Kollegen Tarek Ajub in Bagdad verlesen hatte.
Der 35-Jährige Jordanier Ajub befand sich gestern Morgen im Büro al-Dschasiras in einer kleinen Villa am Westufer des Tigris in Bagdad zusammen mit seinem Kollegen Taiseer Aluni, der gerade einen Livebericht über die Bombardierung Bagdads über sein Satellitentelefon ablieferte, als eine oder mehrere Raketen einschlugen. Das Büro al-Dschasiras und die benachbarte Villa, die vom arabischen Nachrichtensender Abu Dhabi gemietet war, wurden schwer beschädigt. Ein Kameramann von al-Dschasira wurde verletzt.
Die beiden Häuser stehen am Rande eines Parks. Unmittelbar dahinter befindet sich ein dutzend ärmlicher Wohnhäuser. Es gibt keine militärische Einrichtung in der Nähe. Die Büros der beiden Fernsehstationen sind stadtbekannt und auch mit großen, weithin sichtbaren Zeichen als TV-Büros gekennzeichnet. Manchmal witzelten die A-Dschasira-Journalisten, ihr Büro werde aufgrund der kritischen Berichterstattung mit Sicherheit ein Kriegsziel.
Nach der Bombardierung ihres Studios war die Al-Dschasira-Crew ins Palestine Hotel umgezogen, jenen Ort, an dem die irakischen Behörden das gesamte ausländische Pressekorps in Bagdad untergebracht haben. Wenige Stunden darauf, am gestrigen Vormittag, stand ein weiterer Al-Dschasira-Korrespondent gerade vor der Kamera, als in einer bis dahin vollkommen ruhigen Situation eine amerikanische Panzergranate in die 15. Etage des Hotels hinter ihm einschlug. Kurz darauf wurden vier Verletzte, zum Teil schwer blutend auf Decken liegend, aus dem Hotel gebracht. Wie es später hieß, sind Taras Protsyuk, ein 35-jähriger ukrainischer Kameramann der Nachrichtenagentur Reuters, und dessen spanischer Kollege José Couso vom privaten Fernsehsender Telecinco durch die Explosion ums Leben gekommen. Couso erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen an Bein, Brust und Gesicht. Drei weitere Reuters-Mitarbeiter wurden verletzt. Ein Sprecher im Pentagon erklärte zunächst, das Hotel sei kein Ziel gewesen, da die US-Streitkräfte nur militärische Ziele angreifen würden. Von dieser Regel würde lediglich Abstand genommen, wenn sich dort Heckenschützen versteckten. Dass es sich in dem Palestine Hotel um eine US-Grante gehandelt habe, könne er nicht bestätigen.
Das tat kurz darauf der Kommandeur der 3. Infantriedivision, dessen Einheit in Bagdad operiert. Einer der US-Panzer sei vom Hotel aus mit leichten Waffen und sogar einer raketenbetriebenen Granate beschossen worden, worauf er zurückgefeuert habe, erklärte General Buford Blount. Eine Version, die die Journalisten im Hotel allerdings nicht nachvollziehen können. Sei alle berichten übereinstimmend, keine Schüsse gehört zu haben. Auch während des Al-Dschasira-Liveberichts vor dem Hotel unmittelbar vor dem Einschlag der Granate waren keine Schüsse zu hören gewesen. KARIM EL-GAWHARY
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