: Dem Totknuddeln entziehen
Auf dem heutigen CDU-Landesparteitag wird auch Schwarz-Grün ein Thema sein. Die beiden Chefs der Jung-Parteien Tim Peters, 30, Junge Union, und Benedikt Lux, 22, Grüne Jugend, über emotionale Gräben, Schnittmengen und Liebesheiraten
MODERATION STEFAN ALBERTI
taz: Innerhalb der schwarzen und grünen Parteispitzen wird eine Koalition sehr widersprüchlich gesehen. Liegt das an den von ideologischen Kämpfen geprägten Biografien der jetzigen Chefs?
Benedikt Lux: Wolfgang Wieland, der in tiefen Grabenkämpfen gegen die CDU stand, sagt heute, dass Schwarz-Grün in Berlin längst überfällig ist. Ich weiß nicht, ob er das aus strategischen oder inhaltlichen Gründen macht. Es ärgert mich, wenn die Alten Schwarz-Grün Tor und Tür öffnen. Das halte ich für parteipolitisch verfehlt. Das könnte uns morgen fünf Prozentpunkte kosten. Im Weltbild der Grünen-Anhänger gibt es unter allen Parteien mit der CDU die kleinste Schnittmenge.
Tim Peters: Ich glaube, dass es bei einigen älteren CDU-Mitgliedern oder an der Basis durchaus Vorbehalte gegen die Grünen gibt, weil sie die Grünen als Straßenkämpfer kennen gelernt haben oder aus den maoistischen Anfängen der Alternativen Liste heraus. In der jungen Generation gibt es weniger Vorbehalte. Wir würden aber vorzugsweise mit der FDP koalieren.
Schwarz-Gelb kommt aber nach jüngsten Werten in Berlin nur auf 41 Prozent, Schwarz-Grün hingegen auf 52.
Peters: Deshalb stellt sich für uns wahrscheinlich die Frage: große Koalition oder Schwarz-Grün. Je arroganter die SPD auftritt, desto wahrscheinlicher wird Schwarz-Grün. In einigen Bezirken funktioniert die Zusammenarbeit bereits gut, in Mitte amtiert Joachim Zeller seit 1995 mit grüner Unterstützung. Heute entscheiden bei den Jüngeren Inhalte und nicht rein ideologisch begründete Ablehnung.
Wobei ja bei der CDU ein langjähriger Hardliner wie Generalsekretär Lawrentz umdenkt. Ist das mehr als Taktieren, um bei einer Senatsbildung gegenüber der SPD mehr Spielraum zu haben?
Peters: Sicher wird da auch taktiert, bei den Grünen wie bei der CDU. Aber die Umfragewerte lassen sich nun mal nicht vom Tisch wischen.
Stellt sich die CDU da nicht geschickter an als Sie? Ein klares „Nein“ zementiert doch die Abhängigkeit von der SPD.
Lux: Ich sage nicht, dass es nie so sein könnte. Derzeit sehe ich da keine Schnittmenge. Die, die Schwarz-Grün schon in ein, zwei Jahren für möglich halten, versündigen sich an den Positionen, die die Grünen glaubwürdig und lebendig gemacht haben. Das sind vor allem die Zuwanderung, die Innen- und die Bildungspolitik. Wer gerade hier sagt, er könnte sich das mit der CDU vorstellen, hat keine Ahnung, was in Berlin vonnöten ist. Dazu zählen auch die strategischen Spielchen der Fraktionsspitze.
Grünen-Chefin Sibyll Klotz mag zwar Schwarz-Grün nicht, aber sieht es dennoch als Option zu einer rot-rot-grünen Koalition.
Lux: … und das ärgert mich. Wer eins und eins zusammenzählen und Parteiprogramme vergleichen kann, der sieht, dass die Schnittmenge gleich null ist, gerade in einer Stadt wie Berlin.
Gehen wir doch mal die Konfliktfelder durch, angefangen mit der Zuwanderung
Lux: Zuwanderung hat für mich viel mit Gerechtigkeit in einer globalisierten Welt zu tun, da kann Deutschland nicht einfach die Schotten dicht machen.
Peters: Wir müssen hier trennen zwischen Bund und Land. Auf Bundesebene gibt es tatsächlich so starke Gegensätze, dass man nicht über Schwarz-Grün zu reden braucht. In Berlin aber haben CDU und Grüne in der Haushaltspolitik ähnliche Ansätze. Beide setzen weniger auf den Staat als die SPD, obwohl es auch Grüne gibt, die alles als neoliberal brandmarken, was auf Privatisierung und Marktwirtschaft hinausläuft. Knackpunkte sind tatsächlich innere Sicherheit und Bildung. Ich frage mich immer, warum die Grünen einem leistungsorientierten Schulsystem so ablehnend gegenüberstehen.
Lux: Ich sehe den Staat nicht als Gleichmacher. Aber er muss gewisse Möglichkeiten garantieren. Das sehe ich bei der CDU-Politik nicht. Im Gegenteil, es wird noch viel mehr selektiert, wenn man sagt, wir machen alles kürzer, berufsbezogener und halten am dreigliedrigen Schulsystem fest.
Peters: Ich sehe das Problem, dass überall dort, wo es nur Gesamtschulen gibt, die Kinder reicher Eltern auf Privatschulen gehen und dadurch im Studium Vorteile haben.
Lux: Die Gefahr sehe ich, und darum muss man die öffentliche Gesamtschule so attraktiv machen, dass es dazu nicht kommt.
Peters: Bei der inneren Sicherheit verläuft emotional der größte Graben. Gerade Bürger wie du und ich, die sich keinen privaten Sicherheitsdienst leisten können, aber abends sicher durch Berlin laufen wollen, sind auf eine gewisse polizeiliche Präsenz angewiesen. Beim 1. Mai kann man über das effizienteste Konzept reden, aber das Wichtigste ist, dass die Bürger geschützt werden, die auf der Straße ihr Fest feiern wollen.
Die Frage ist doch: Wie viel Gewicht haben diese Differenzen. Geht es nach der Umweltpolitik, hätten die Grünen angesichts fortgesetzter Kernenergie und Steinkohlesubventionen auch nicht mit der SPD koalieren dürfen.
Lux: Da muss man erst mal sehen, dass die CDU unter Kohl keine vernünftige Umweltpolitik und viel kaputtgemacht hat.
Peters: Wir haben doch den Posten des Bundesumweltministers eingeführt.
Lux: Aber auch nur als Reaktion darauf, dass es die Grünen ins Parlament geschafft haben.
Peters: Konkurrenz belebt das Geschäft. Dass der Anstoß von euch kam, ist nicht zu bestreiten.
Lux: Zugegebenermaßen ist der Umweltgedanke in der SPD noch nicht in der Breite angekommen. Aber es gibt generell eine größere ideologische Nähe, und das rührt aus einem ähnlichen, solidarischen Gerechtigkeitssinn heraus. Die Verknüpfung von Leistung und Solidarität ist mit der SPD viel besser zu machen, da ist der schwarz-grüne Dissens in der Innenpolitik noch harmlos.
Wenn Rot-Rot scheitert und die Alternative wäre: schwarz-Grün oder Opposition – wie würden Sie entscheiden?
Lux: Opposition.
Peters: Ich würde die Themen durchgehen und prüfen. Mit Schwarz-Grün können wir wahrscheinlich mehr CDU-Politik umsetzen als in der Opposition.
Immerhin sitzen Sie hier zusammen. Sibyll Klotz hat jüngst erzählt, es dauerte zehn Jahre, bis ihr der CDU-Mann Landowsky „Guten Tag“ wünschte.
Lux: Ich verstehe mich auch sonst mit Leuten von der Jungen Union ganz gut. Aber ansonsten gibt es zurzeit eine Art Totknuddeln von der CDU, dem sich die Grünen entziehen müssen. Wir haben aus eigener Kraft gerade ein gutes Standing, das dürfen wir nicht aufs Spiel setzen.
Peters: Ich sehe kein Totknuddeln. Es gibt eher ein Abtasten der gegenseitigen Positionen. Ich glaube, dass die Grünen insgesamt pragmatischer denken und schon weiter sind als die Grüne Jugend. Eins geb ich gerne zu: Eine Liebesheirat würde Schwarz-Grün auf keinen Fall.
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