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Baseballschläger gegen Plünderer

In Mossul koordinieren die Imame die Bürgerwehren. Nach den Plünderungen wollen sie so Stadtviertel und Krankenhäuser schützen

„Wenn das die Freiheit ist, die sie uns bringen, dann verzichten wir darauf“

aus Mossul MARCUS BENSMANN

Vor der Moschee im Universitätsviertel von Mossul im Norden Iraks stehen hundert Männer jeden Alters auf der Straße. Sie sind bewaffnet mit Baseballschlägern, Kalaschnikow-Maschinenpistolen und Stöcken. Durch ihre bloße Präsenz bilden sie eine Straßensperre. Der Imam der Moschee koordiniert die bewaffneten Bürger Mossuls. Jedes vorbeifahrende Auto wird angehalten und auf Beute gut durchsucht.

Wenn ein Fahrzeug die Menschenkette durchbricht, prasseln auf dessen Motorhaube und Scheiben die Baseballschläger nieder. Sobald sich ein Lkw oder Pick-up nähert, auf dem Peschmerga sitzen, lassen die Männer vor der Moschee ihrer Feuerwaffen aber schnell verschwinden.

Im Hof der Moschee stapeln sich die Möbel, die Kühlschränke und Ventilatoren, sogar ein Klavier ist dabei – es ist alles, was die Männer den Plünderern abjagen konnten. Einige Reuige sind jedoch auch den mahnenden Predigten des Imam gefolgt und haben die geraubten Güter zurückgegeben.

Der 31-jährige Imam steht vor der Moschee und berät sich mit den Alten des Viertels. Er versucht die erhitzen Gemüter zu beruhigen. Der junge Imam macht direkt die USA verantwortlich, die die Stadt den Peschmerga und den Plünderern ausgeliefert hätten. „Die Peschmerga haben von Anfang an mitgemacht und die Menschen sogar ermuntert, es ihnen gleichzutun“, zürnt der Geistliche.

Um weitere Plünderungen zu verhindern, mussten die Imame Mossuls das Heft in die Hand nehmen. Sie koordinieren Bürgerwehren, um Stadtviertel und wichtige öffentliche Gebäude zu schützen.

Die Mossuler Universität konnten sie nicht mehr retten. Vor dem Sturm war sie eine angesehene Lehranstalt in der arabischen Welt. Jetzt gleicht sich einem Trümmerfeld. Die Universitätsbibliothek ist verwüstet, die Regale in den Lesesälen, die sich über vier Etagen erstrecken, sind umgestürzt. Bücher liegen zerfledert und zerstreut auf den aufgerissenen Teppichen.

„Ein neuer Holako war in Mossul“, schimpft der Geologieprofessor und erinnert damit an den Mongolenherrscher, der nach der Eroberung Bagdads, die dortige Bibliothek zerstört hatte. Auch das Computerzentrum wurde ein Raub der Flammen. Alle Laboratorien der Universität wurden planmäßig auseinander genommen und geplündert. Die Akten des Sekretariats und des Prüfungsausschusses liegen zerfetzt auf den Treppen und Gängen der Universität.

„Die Peschmerga haben von Anfang an beim Plündern mitgemacht“

„Wenn das die Freiheit ist, die sie uns bringen wollen, dann verzichten wir darauf“, empört sich ein Physikprofessor. Der Gelehrte sei nie Mitglied der Baath-Partei gewesen, deswegen habe man ihm für sieben Jahre die Lehrerlaubnis entzogen, erzählt der Professor. Doch diese Zerstörung habe nichts mit einer Abrechnung des Regimes zu tun. „Dies ist ein Angriff auf unsere Zivilisation“, sagt der in London studierte Physiker. Nun stehen die Wachen des Imams vor den Toren der Universität um weitere Plünderungen zu verhindern. Sie schützen auch die Al-Hansa-Frauen- und Kinderklinik.

Die Ärzte hatten sich mit bloßen Händen den Plünderern entgegengestellt, erzählt sichtlich geschockt der Chefarzt Saat Machmut. „Mich wollten Sie sogar töten, hätten sich meine Kollegen nicht schützend vor mich gestellt.“ Nun ist das Krankenhaus einer der wenigen Kliniken in Mossul, das Operationen durchführen kann.

Allein in einer halben Stunde wurden drei Männer mit Schusswunden in das Krankenhaus eingeliefert.

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