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Von Suff, Steuern und Bierdeckeln

Beim politischen Aschermittwoch in Bayern macht der kommende SPD-Vorsitzende Franz Müntefering den Genossen Mutund meidet Stammtischparolen – ganz im Gegensatz zu CSU-Chef Edmund Stoiber, der mit markigen Sprüchen aufwartet

AUS VILSHOFEN JÖRG SCHALLENBERG

„San’s schon da, die Betrüger?“ Grimmig, aber in bester Protestlaune stapft der Mittsechziger morgens um halb zehn die Stufen zum Vorplatz des Wolferstetter Kellers hoch, in der Hand ein kleines Plakat, das die rot-grüne Bundesregierung bezichtigt, ihre Sozialreformen auf dem Rücken der Rentner auszutragen.

Nicht jeder im niederbayerischen Vilshofen freute sich gestern darauf, die designierten Parteivorsitzenden der SPD im Bund und in Bayern, Franz Müntefering und Ludwig Stiegler, zum politischen Aschermittwoch im traditionsreichen Bierkeller zu begrüßen, in dem einst Franz Josef Strauß wütete. Etwa 150 Rentner demonstrieren auf dem Stadtplatz, die paar, die direkt vor dem Lokal stehen, begrüßt Müntefering mit Handschlag.

Im Wolferstetter Keller dann warten gut 600 Genossen, die ihren Franz mit euphorischem Beifall begrüßen – darunter auch die „AG 60plus“ des SPD-Ortsvereins Gevelsberg aus NRW, deren Mitglieder die Rentenpolitik der SPD gar nicht so ungerecht finden. „Da müssen wir durch“, fasst ein Grauhaariger im knallroten SPD-Pullover die Stimmung der meisten im Saal zusammen und greift zum Weißbierglas, als müsse er sich Mut für die kommenden Reformen und Wahlen antrinken.

Immerhin, einen neuen Hoffnungsträger hat die Partei momentan in Franz Müntefering gefunden. Auch wenn der in seiner Ansprache wenig den Ansprüchen des ritualisierten politischen Radaus an diesem Tag entspricht. Müntefering ist niemand, der mit dem verbalen Holzhammer auf den Stammtisch haut, dass die Wände wackeln. Seine Stärke ist die glaubwürdige Verkörperung von Grundwerten der SPD, und so begibt er sich zunächst auf einen historischen Exkurs, in dem oft der Name Willy Brandt fällt. Dann geht es ans politische Tagesgeschäft und die erwartete Verteidigung des eingeschlagenen SPD-Kurses.

Weitere Steuersenkungen seien nicht drin, befindet Müntefering, denn damit „verjubelt man das Geld, das wir dringend brauchen für Kindergärten, für Schulen, für Hochschulen und für öffentliche Güter. Wer will, dass der Staat handlungsfähig bleibt, der muss auch dafür sorgen, dass er genügend Geld dafür hat.“ Außerdem beschwört der künftige SPD-Vorsitzende „den Erhalt des solidarischen Prinzips“ bei der Krankenversicherung, fordert mehr Investitionen in den Bereichen Bildung und Technologie und droht erneut mit einer Ausbildungsplatzabgabe: „Wenn am 30. September Ausbildungsplätze fehlen, werden die Unternehmen bezahlen müssen, die keine Ausbildungsplätze schaffen.“

Gegenüber der CDU/CSU spielt der kommende SPD-Vorsitzende die patriotische Karte aus: Eine miese Vertretung der Interessen Deutschlands sei es, wenn „dieselben, die hier im Lande Milliardenschulden aufgebaut haben, nun Europa auffordern, Deutschland zu bestrafen“ – falls die Regierung die Kriterien des EU-Stabilitätspaktes auch in diesem Jahr verfehlt.

Ansonsten überlässt es Müntefering dem SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Martin Schulz, und Ludwig Stiegler, auf die Unionsparteien einzudreschen. Nur Friedrich Merz bekommt noch einen Spruch auf Stammtischniveau mit: „Der Merz will die Steuerreform auf einen Bierdeckel schreiben. Das kann man nur sagen, wenn man ganz lange vor dem Bierdeckel gesessen und sich besoffen hat.“

Ein paar Kilometer weiter in der Passauer Dreiländerhalle, wohin die CSU nach dem Abriss der Nibelungenhalle umziehen musste, ist von Friedrich Merz zwar nichts zu sehen, doch unter den knapp 8.000 Besuchern gibt es einige, die im Bierdunst den eigenen Deckel nicht mehr erkennen können. Damit ihn auch der letzte Betrunkene verstehen kann, hämmert der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende in seiner zwei Stunden langen Rede immer wieder den einen Satz herunter: „Schröder muss weg!“ Abgesehen davon leistet sich Stoiber deftige Kritik an Unternehmen, die sich um ihre gesellschaftliche Verantwortung drücken, und lehnt eine Aufnahme der Türkei in die EU ab. Da jubelt die „CSU-Südkurve“, wie Stoiber seine Zuhörerschaft selbst treffend definiert hatte, und fordert Zugaben.

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