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Einschläfernde Protagonisten

Höhepunkt des Wahlabend-Theaters im CCH war nicht der zentrale Handlungsstrang der Inszenierung – die Auftritte der Kandidaten –, sondern die Statisten-Histörchen en passant. Besonders deftig wie jedes Mal: das Fotografengebalge

von Petra Schellen

Wenn Regisseure in ihrem eigenen Stück mitspielen, ist das eher schal. Wenn sie Selbstgeschriebenes inszenieren, ebenfalls. Nicht umsonst schreibt daher Armin Petras immerhin unter Pseudonym, bevor er seine Stücke etwa am Thalia aufführt; mit inszenierende AutorInnen sind beim Bühnenvolk noch weniger beliebt.

Kaum verwunderlich also, dass Ole von Beusts Stück namens „Ich werde wieder Bürgermeister“ – nach dem plakatintensiven Prolog der vergangenen Wochen – am Wahlabend keinen nennenswerten Höhepunkt mehr bot; allzu erwartbar war die „Katharsis“ gewesen, allzu schlicht die Wählerwanderung weg vom Jetzt-nicht-mehr-Wunschtier Ronald Schill.

Dröge Routine waberte deshalb am Wahlabend durchs CCH; nicht erstaunlich vielleicht, wenn man alle zwei Jahre wählt; noch ein solcher Minimalabstand, und man spürt überhaupt nichts mehr. Und so wirkte auch keiner der Akteure sonderlich gewandelt ob des Resultats; im Gegenteil: von Beust wurde – auch auf Nachfrage – „nicht schwindlig“, und Thomas Mirow wirkte so entspannt wie nie angesichts der Perspektive, endlich mit dem Bürgermeister-in-Spe-Getue aufhören zu dürfen.

Vollkommen authentische Akteure also auf der Bühne, mit denen man sich – nimmt man die Schilliaden einmal aus – gelangweilt hätte, wären da nicht jene Heerscharen von Medienleuten gewesen, die dem Abend wenigstens ein bisschen Pfeffer verliehen. Zwar lässt sich darüber streiten, ob man für Wahlabende künftig nicht zentral eine Fotostrecke und eine CD mit Kandidatenzitaten vorproduzieren sollte, um jedes Gebalge zu verhindern. Andererseits machen diese Aktiönchen – von der Regie eigentlich unter „ferner liefen“ betrieben – die eigentliche Würze einer Inszenierung aus.

Da wäre zum Beispiel der sehr früh auftretende Statist mit dem ddp-Dreitritt, den er in geheimnisvollen choreographischen Schleifen durch die Gänge wedelt, das Gerät mal diesem, mal jenem in die Kniekehle rammend. Oder jener Nobelredakteur, der ein übers andere Mal Sätze wie „Wir sollten jetzt mal ein Gerücht in die Welt setzen“ ausstößt. Wäre vielleicht wirklich eine Überbrückung jenes fruchtlosen Wartens auf das nach 18 Uhr eventuell doch noch kippende Wahlergebnis. Nicht viel übrig geblieben also vom bewährten, noch bei der vergangenen Wahl so brillant umgesetzten Motto „Brot und Spiele“?

Lange scheint‘s nicht so, aber ... doch! In der ZDF-Arena nämlich, als die Oberhäupter zur Elefantenrunde eintreffen und die Fotografen sich um das jeweils exakt gleiche Foto prügeln: Ausrufe wie „Die Angel raus!“ oder „Runter, wo du jetzt schon auf dem ddp-Treppchen (!) stehen darfst!“, sind da zahlreich zu hören. Und wenn die Meute dann auch noch „Herr Mirow! Hallo! Hiier!“ kreischt, ist man fast geneigt, an altbekannte Dreijährigen-Spielchen zu denken. Die allerdings vorrangig dazu dienen sollten, Kleinchen von irgendeinem Blödsinn abzulenken. Eine weise Methode, fürwahr.

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