: Euro ängstigt EU
Lange war er der Kommission zu schwach, nun steigt er – und wieder ist damit keiner zufrieden
FRANKFURT/BRÜSSEL dpa/rtr/taz ■ Der Euro kann es seinen Erfindern nicht recht machen. Ein neues Hoch der europäischen Einheitswährung lehrt nun die Europäische Kommission das Fürchten. Mit mehr als 1,16 Dollar ist der Euro so stark wie seit vier Jahren nicht und nur noch zweieinhalb Cent unter seinem Allzeithoch vom Januar 1999, drei Tage nach seiner Einführung.
Sowohl das Tempo des Kursgewinns als auch die starken Schwankungen gegenüber dem Dollar seien bedenklich, unkte ein Sprecher von EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Pedro Solbes gestern in Brüssel: „Beides ist nicht gut für die Wirtschaft.“ Die deutsche Exportindustrie hatte zuletzt über heftige Einbußen gejammert.
Lange hatte die politische Klasse in Europa die Unterbewertung des Euros beklagt, die seiner Bedeutung und den wirtschaftlichen Fundamentaldaten nicht entspreche. Nun normalisiert sich der Kurs, und es ist auch wieder nicht richtig.
Der Anstieg des Euros sei eine Reaktion auf die Unterbewertung der Gemeinschaftswährung in der Vergangenheit, orakelte Solbes’ Sprecher. Doch mit dieser Erklärung sind nicht alle einverstanden. Devisenhändler verweisen eher auf Äußerungen des US-Finanzministers John Snow als Ursache. Der hatte den sinkenden Euro im Fernsehen als ökonomisch hilfreich bezeichnet und auf die schwache Wirtschaftslage hingewiesen. Das ließ viele Währungsspekulanten auf einen schwachen Dollar wetten.
Zwar hatte Snow kürzlich die Wichtigkeit eines starken Dollars bekräftigt, doch Devisenstrategen sehen das eher als ein Lippenbekenntnis der US-Regierung. „Ich denke, sie würden eine kontrollierte Abwertung des Dollars begrüßen, aber sie können es nicht laut sagen, denn dann würde er zusammenbrechen“, argumentiert etwa Marshall Gittler von der Deutschen Bank.
Nach dem Tageshöchststand von 0,1623 Dollar legte die EZB den Referenzkurs am Nachmittag auf 1,1597 (Freitag: 1,1466) Dollar fest. Ein Dollar war damit nur noch 86 Eurocent wert.
JP Morgan Chase hat schon mal ausgerechnet, wie viel mehr Wachstum der schwächere Dollar einbringt: Halte der Rückgang an, werde das US-Wirtschaftswachstum 2004 im vierten Quartal real um 0,75 Prozent höher ausfallen als ein Jahr zuvor, hieß es gestern. URB
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen