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terrorängsteRettet die einsamen Koffer

O. k., es stimmt, der Forschungsreaktor des Wannseer Hahn-Meitner-Instituts ist nicht terrorsicher. Genauso wenig der Reichstag, die S-Bahn, unser Grundwasser, die Bahnhöfe. Die wahrscheinlich einzig sicheren Orte dieser Stadt sind die amerikanische Botschaft und die Kreuzberger Stammkneipe der ergrauten Revolutionären Zellen. Zur heiteren Sorglosigkeit gibt dies alles keineswegs Anlass. Doch darf diese Erkenntnis unser Leben ändern?

KOMMENTAR VON ADRIENNE WOLTERSDORF

Nein. Natürlich nicht, denn nichts würde die wahnsinnigen Terroristen mehr bestätigen. Die sind so verblendet, dass es zudem egal ist, ob wir für oder gegen den Irak, den Islam, das Kopftuch oder Schwimmunterricht für Mädchen sind. Unsere Gesinnung schützt uns nicht vor Anschlägen. Nichts schützt uns in letzter Konsequenz vor Anschlägen. So muss es uns und unserer Befindlichkeit reichen, dass die Institutionen der Stadt ihre Sicherheit überprüfen, Polizei und MitbürgerInnen sensibilisiert sind und dass die Behörden deshalb vielleicht endlich auch besser zusammenarbeiten.

Da, wo wir verwundbar sind, müssen wir hingegen Selbstbewusstsein behalten. Gemeint sind unsere bürgerlichen Freiheiten und die öffentliche Organisation unserer Stadt. Denn werden erst überall Metalldetektoren aufgestellt, folgen die Rufe nach der Abschottung des Trinkwassers, der Lebensmittel und schließlich der Luft. Was die Geheimdienste, insbesondere der Berliner Verfassungsschutz, in ihrer Ermittlungsarbeit in der Vergangenheit – und selbst heute – versäumten, kann keine Sicherheitsstufe wettmachen. Leben in einer Großstadt ist ein Risiko, aber es ist auch schon immer eines gewesen. Der täglichen Angst vor Anschlägen jedenfalls sollten wir mit Umsicht, nicht mit Unruhe begegnen.

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