: Universitäre Kurzarbeit bei vollem Lohnausgleich
An Polizei-Hochschule wird über eine Million Euro verschwendet: DozentInnen werden wegen Berliner Abwerbung von PolizistInnen nicht gebraucht
Alle sollen sparen – nur die Innenbehörde lebt offensichtlich im Überfluss. So ist die „Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung/Fachbereich Polizei“ (FHÖV) – kurz „Polizei-Uni“ genannt – mit Lehrkapazitäten ausgestattet worden, die sie gar nicht benötigt. Die Folge: Professoren, Dozenten und Lehrbeauftragte, die aufgrund ihres beamtenrechtlichen Status nicht gerade das Gehalt einer Krankenschwester kassieren, drehen Däumchen. „Der Finanzsenator sollte mal darauf achten, wie hier das Geld verschwendet wird“, ärgern sich Insider und rufen nach dem Rechnungshof.
Sieben Lehrbeauftragte sind an der Polizei-Uni zum 1. Oktober 2002 mit Befristung bis 2005 eingestellt worden, um das Ausscheiden von Professoren zu kompensieren und dem von Ronald Schill avisierten Ansturm neuer PolizistInnen und neuer auszubildender KommissarInnen zu begegnen – insbesondere der so genannten „Seiteneinsteiger“, die wegen ihrer Vorbildung nicht den Weg über die Polizeischule eingeschlagen müssen. „Im Oktober war aber schon klar, dass ausgebildete Berliner nach Hamburg kommen“, sagen Insider. Und so sank denn auch die Zahl der Studiengänge von im Schnitt fünf bis sechs und bis maximal zehn pro Semester auf zwei zum 1. April dieses Jahres. Zum 1. Oktober wird es gar nur noch einen neuen Studiengang geben, denn mindestens 800 fast fertig ausgebildete Berliner PolizistInnen sollen bis zum Jahresende in Hamburg ihren Dienst aufnehmen.
Doch die sieben „Lehrkräfte für besondere Aufgaben“, AnwältInnen, PolitologInnen oder SozialwissenschaftlerInnen, haben Verträge bis Oktober 2005 – zugeschnitten auf das Maß von mindestens sechs neuen Studiengängen pro Semester. Hinzu kommt noch, dass sich ältere Semester zurzeit im Praktikum an den Wachen befinden, so dass deren Unterricht ohnehin ausfällt. Und aufgrund der von Schwarz-Schill eingeleiteten Strukturumwandlung der FHÖV können die Lehrkräfte arbeitsrechtlich auch nicht mehr so einfach an Fachbereiche anderer Fachhochschulen verschoben oder ausgeliehen werden, da es sich um eigenständige Institutionen handelt.
Die Folge: Es mangelt an Auslastung. Das Gros der gut drei Dutzend Lehrenden an der Polizei-Uni leistet daher nur maximal zwei Drittel seiner 18 wöchentlichen Pflichtstunden ab. Einige haben sogar ihre Studiengruppen geteilt, erfinden auf dem Papier neue Kurse wie Internet-Recherche, die gar nicht in den Lehrplänen stehen, und setzen sie auf so unattraktive Termine, dass keiner kommt. Die „besonderen Lehrbeauftragten“ gehen zum Teil noch alten Nebentätigkeiten nach. „Es gibt offensichtlich ein Planungsproblem in der Innenbehörde“, konstatieren Insider zynisch.
Nicht anders bei den neun Beamten aus dem gehobenen Dienst der Polizei, die direkt aus dem Polizeiapparat abkommandiert worden sind und im Bereich „Einsatzlehre“ eingesetzt werden. Dort kann der Beamte zurzeit in der Regel mit acht tatsächlich abgeleisteten Unterrichtsstunden pro Woche eine ruhige Kugel schieben. Zumal die Pflichtstunde auf dem Schießstand – im Gegensatz noch zu den pädagogischen Lehrkräften – in der Regel keiner Vorbereitungszeit bedarf. Daher gilt es vor allem Anwesenheit zu demonstrieren, damit der Gehalts-Scheck am Monatsende kommt.
Für interne Kritiker ein regelrechter Skandal. „In einer Zeit, in der die Stadt kein Geld hat, kann man so nicht vorgehen“, sagen sie: Innensenator Ronald Schill und sein Staatsrat Walter Wellinghausen „werfen Steuergelder zum Fenster raus“. Und zwar, so wird geschätzt, in einer Höhe von über einer Million Euro. KAI VON APPEN
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