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Spielwiese für Islamisten

„Echter Glaube braucht keine sichtbaren Zeichen. Aber hier geht es nicht um Glauben, sondern um Repression“, meint Samir Khalil zum Kopftuch-Streit. Gespräch mit dem Direktor des Beiruter Zentrums für arabisch-christliche Studien

von MONA SARKIS

taz: Sie sagen, die Araber seien von Deutschland enttäuscht. Weshalb?

Samir Khalil: Weil es kein mutiges, sondern ein schwammiges Profil vorweist, das islamistischen Gruppen vor der eigenen Tür Vorschub leistet. Statt Muslimen, die in Deutschland leben, klare Integrationsregeln vorzugeben, bleiben diese einer Ghettosituation überlassen. Diese Ghettosituation ist fruchtbarer Nährboden für alle, die zwar für sich Toleranz einfordern, selbst aber zutiefst intolerante Ideen verfolgen.

Sind die Deutschen naiv? Sehen Sie die Deutschen als romantische Mulitkultis?

Tatsächlich neigen die Deutschen zu einer „Multikulti“-Vorstellung, die weniger romantisch als vor allem wertindifferent ist. Sie haben offensichtlich Hemmungen, sich kritisch gegenüber fremden Kulturen zu äußern. Statt sachlich, aber selbstbewusst aufzutreten, schweigen sie lieber.

Und wie steht es mit den hier lebenden Muslimen? Haben die überhaupt den Mut und die Einsicht, die Demokratie hier zu leben?

Meines Erachtens fehlt ihnen eine mutige Selbstanalyse und eine tabulose Erkenntnis ihrer Realität: In Deutschland leben drei Millionen Muslime. Wenn sich wirklich alle in den säkularen Staat integriert hätten und wenn die Deutschen selbstbewusster wären – und weder in falsche Toleranz noch in riskante Distanzierung auswichen –, stünde doch offenen, rationalen Dialogen nichts im Wege.

Halten Sie die Dialoge, die hier stattfinden, nicht für rational?

Sie werden zumeist nicht offen geführt. Zunächst: Der Islam hat keine erschreckende Fratze. Aber der Islamismus, der jedoch nicht pauschal mit Terrorismus gleichzusetzen ist. Es gilt, herauszufiltern, wo die Grenzen der diversen Gruppierungen auf deutschem Boden verlaufen. Deutschland ist säkular, aber die islamischen Organisationen in Deutschland sind es meist nicht, da ihr System auf der Einheit von Religion und Staat, „Din wa daula“, beruht. Das ist nichts Verkehrtes, allerdings kann der deutsche Staat nicht zweierlei Recht dulden, sein eigenes und die Scharia. Das ist öffentlich zu thematisieren, und das findet nur selten statt. Vor allem ist zu klären, ob die deutschen Muslime mehrheitlich für eine Zweigesetzlichkeit sind und ob sie mehrheitlich das deutsche Grundgesetz überhaupt kennen. Zum Beispiel stimmen die islamischen Vereinigungen für eine strenge Geschlechtertrennung und das ist eindeutig grundgesetzwidrig.

Sind Sie besorgt?

Als sehr bedenklich empfand ich, dass „Hizb ut-Tahrir“, eine in allen islamischen Ländern verbotene, Gewalt befürwortende und gezielt über persönliche Rekrutierung arbeitende Gruppierung, bis vor kurzem auf der Frankfurter Buchmesse vertreten war. Seit 2003 ist diese Organisation auch in Deutschland verboten, aber warum so spät? Mit seiner übertriebenen Toleranz kann Deutschland zu einer Spielwiese für Islamisten werden; das hilft weder ihm noch den muslimischen Bürgern.

Wo brauchten deutsche Muslime mehr Hilfe?

Nehmen wir das berühmte Kopftuch. Immer mehr deutsche Musliminnen tragen es, was Deutsche ärgert oder sogar ängstigt, doch sie thematisieren es nicht direkt und sachlich. Dabei hat dieser Kopftuch-Streit noch lange nichts mit einem Angriff auf Religionsfreiheit oder mit dem Zwang zur Assimilation zu tun, sondern mit Kenntnis und Erkenntnis: Im Koran ist nirgends eine eindeutige Kopftuchpflicht vorgeschrieben. Viele Ulemas [Rechtsgelehrte] weisen darauf hin. Sie verweisen auch auf die Gefahr von Missinterpretationen und Koranverfälschungen. Noch vor 30 Jahren ging die Mehrheit der Musliminnen weltweit ohne Kopftuch. Zu Recht: Echter Glaube braucht keine sichtbaren Zeichen. Aber bei der Frage um das Kopftuch geht es auch nicht um echten Glauben, sondern um fundamentalistische Repression.

Nehmen viele Muslime die fundamentalistische Repression aus persönlicher Verunsicherung an?

Die Muslime suchen gegenwärtig, auch in Deutschland, sehr stark nach einem Halt und meinen, ihn in solchen fundamentalistischen Lösungsangeboten zu finden. Dagegen müssen Deutsche stärker ankämpfen und eine gesunde Demokratie vorleben, mit der sie den Muslimen einen Halt in der neuen Heimat geben. Grundlage wäre der respektvolle, aber offene Dialog mit dem Anderen. Mir scheint aber, die Deutschen wagen nicht einmal, solche Fragen zu stellen. Damit stehen sie meiner Meinung nach nicht zu ihrer demokratischen Verantwortung.

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