: Verdachtsunabhängiger Aktionismus
Verfassungsschutzbericht 2003 vorgelegt: Hamburgs Innensenator Udo Nagel warnt vor islamistischer Gewalt und fordert die Aushöhlung von Grundrechten im Kampf gegen Gewalt-Attentäter. Kein Ziel sei sicher, konkrete Belege aber gibt es nicht
von KAI VON APPEN
Udo Nagel beschwört die Gefahr: Den politischen Islamismus. Um den wirksam bekämpfen zu können, müssen der Rechtsstaat und verbriefte Grundrechte eingeschränkt werden. Das erklärte der parteilose Hamburger Innensenator gestern bei der Vorlage des Verfassungsschutzberichtes 2003. „Ich begrüße den Kompromiss beim Zuwanderungsgesetz, bei dem es keine Verwässerungen geben darf“, sagte Nagel. „Wir brauchen aber noch effektivere Instrumente gegen den islamistischen Terrorismus.“ Deshalb werde in der Novelle des neuen Hamburger Polizeigesetzes die „verdachtsunabhängige Kontrolle“ und die „Telefonüberwachung zur Gefahrenabwehr“ verankert.
Zudem will Nagel einen „Terrorismuskoordinator“ berufen, der in der Innenbehörde die Maßnahmen von Verfassungsschutz (VS), polizeilichem Staatsschutz, Ausländerbehörde und Staatsanwaltschaft lenkt und abstimmt. Nagel: „Aus polizeilicher Sicht ist es wünschenswert, bei erkennungsdienstlicher Behandlung auch den genetischen Fingerabruck nehmen zu können.“ Damit nicht genug, fordert Nagel weitere Maßnahmen, die er der Innenministerkonferenz vorschlagen wird. Dazu zählen der Aufbau einer „Einreise-Datei“, einer „Gefahr-Datei“ und einer „Europol-Gefährder-Datei“ für Muslime.
Desweiteren fordert Nagel die Möglichkeit der „Verdachtsausweisung“, sofern jemand zum Beispiel ein al-Qaida-Lager oder ähnliche Orte aufgesucht habe, den „Sicherheitsgewahrsam“, falls eine Abschiebung wegen drohender Todesstrafe im Abschiebeland nicht möglich ist sowie die Überprüfung von „Schein-Ehen“ unter Strafandrohung und den Einsatz der Bundeswehr im Inland. „Keine Ersatzpolizei, aber Deutschland braucht ein Instrumentarium gegen Terroristen, die über Waffen verfügen, welche nur mit militärischen Mitteln abgewehrt werden können.“
Ohne konkrete Anhaltspunkte zu haben, zeichnete Nagel ein Bild der akuten Bedrohnung durch islamistische Gewalt. Die Anschläge von Madrid hätten gezeigt, dass Islamisten „den Westen“ und „die Ungläubigen“ insgesamt als Feinde ansehen. „Es gibt nichts, was nicht als Anschlagsziel in Frage kommt“, ergänzte Hamburgs VS-Chef Heino Vahldieck. In Hamburg lebten zurzeit 200 „gewaltbereite islamische Extremisten“, von denen etwa 20 als „höchst gefährlich“ eingestuft werden. „Sie stehen unter Beobachtung, aber 20 Menschen lückenlos zu überwachen, dafür fehlen die personellen Vorausetzungen.“ Und: „Es gibt Hinweise, dass in Hamburg neue Kämpfer für den Dschihad rekrutiert werden.“
Auch die rund 1.000 Mitglieder der türkischen islamischen Gemeinschaft „Milli Görus“ werden vom VS intensiv beäugt. Offiziell würde sich „Görus“ zwar zur Gewaltfreiheit bekennen, doch Vahldieck warnt: „Dem offizellen Integrationskurs muss aber mit Vorsicht begegnet werden, es gibt Anhaltspunkte für eine extremistische Orientierung.“
Die Opposition kritistierte den Aktionismus Nagels. Damit trage er nur zur „Verunsicherung der Menschen bei“, mahnt die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gesine Dräger: „Über den sensiblen Bereich der Grundrechte muss im Parlament debattiert und entschieden werden.“
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