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Nicht nur über, auch mit Islamisten reden

Verfassungsschutz legt Schwerpunkt auf Islamismus. Weiteres Fazit des aktuellen Berichts: Neonazis schlagen öfter zu

Das unterscheidet Innensenator Ehrhart Körting (SPD) von seinen Vorgängern: Er zeigt sich gesprächsbereit. „Ich werde gezielt auf einige Moscheen zugehen“, sagte er gestern bei der Vorstellung des Berliner Verfassungsschutzberichtes 2003. Zwar führte er nicht weiter aus, welche Moscheen er genau damit meint. Aber, so Körting, man müsse nicht nur über Islamisten reden, sondern auch mit ihnen.

Islamismus war der Schwerpunkt der Beobachtungen des Verfassungsschutzes: 5.820 Personen rechnen die Beamten dem Bereich „Ausländerextremismus“ zu, zwei Drittel von ihnen gehören islamistischen Gruppen an. Das seien zwar rund 200 Personen weniger als im Vorjahr, so Körting. Aber spätestens seit den Durchsuchungen mehrerer Wohnungen und der Al-Nur-Moschee in Neukölln im März 2003 gebe es auch in Berlin Anzeichen für islamistisch motivierte Anschläge. Zugleich betonte er, dass 95 Prozent der in Berlin lebenden Menschen muslimischen Glaubens islamistische Bestrebungen ablehnen. Umso wichtiger sei es, gemeinsam mit ihnen gegen Fanatiker vorzugehen, sagte der Innensenator – und zwar auch gegen solche, die versuchten, eine islamistische Staatsordnung aufzubauen.

Vor dem Hintergrund des Ausländerextremismus scheinen die Verfassungsschützer dem Extremismus von rechts weniger Bedeutung beizumessen. Dabei ist die Zahl der Rechtsextremisten im Vergleich zum Vorjahr mit rund 2.400 Personen fast unverändert geblieben, die Zahl der Gewaltstraftaten habe sich sogar um über ein Drittel erhöht. Insbesondere fremdenfeindliche Übergriffe sind laut Verfassungsschutz von 28 auf 70 gestiegen.

Zwar hat die Einstellung des Verbotsverfahren gegen die NPD nicht zu dem befürchteten Zulauf geführt, den sich die Parteiführung erhofft hatte. Dennoch erfreuen sich aktionsorientierte Kameradschaften großen Zuspruchs. Namentlich die Kameradschaft „Tor“ sowie die neu gegründete „Berliner Alternative Süd-Ost“ (Ba-SO) in Treptow-Köpenick sind deutlich militanter und gewaltbereiter als die in Parteien organisierten Kameraden.

Kaum Änderungen gibt es dagegen bei der Bewertung der als „gewaltbereite Linksextremisten“ geführten Personen. Sie liegt mit 1.280 Personen zwar etwas höher als im Vorjahr, der Anteil von Gewaltdelikten ist aber von 171 (2002) auf 157 (2003) gesunken. Bei ihnen dominieren Delikte wie Sachbeschädigung und Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. FELIX LEE

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