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Essen ist freundlich zu armen Kindern

Essens OB Reiniger (CDU) und Sozialdezernentin Hock (SPD) stellten gestern nach langem Hin und Her den Kinderbericht der Stadt vor. Die hohe Kinderarmut wird mit „bereits eingeleiteten Strategien“ geschmückt

Essen taz ■ Die große Kinderarmut in Essen ist nun amtlich. Der Kinderbericht der Stadt ist nach langer Korrekturphase gestern der Öffentlichkeit präsentiert worden. Der Entwurf, der im Februar kurzfristig zurückgezogen worden war, bot vor allem ein erschreckendes Ergebnis: Die Sozialhilfedichte bei den Essener Kindern unter sieben Jahren ist die höchste in ganz NRW. Bei der nun veröffentlichten Version sind „bereits eingeleitete Handlungsstrategien“ hinzugefügt worden, um die dramatische Lage zu entschärfen.

Der Oberbürgermeister ist sich keiner Schönfärberei bewusst: „Wir gehören zu den wenigen Städten, die in jeder Wahlperiode einen solchen Bericht verfassen“, leitete Wolfgang Reiniger (CDU) gestern die gemeinsame Pressekonferenz mit Sozialdezernentin Gudrun Hock (SPD) ein. Er sei außerdem stolz darauf, dass Essen in einer Umfrage zur kinderfreundlichsten Großstadt Deutschlands gekürt wurde. „Im Wettbewerb der Städte um Familien sind die Bedingungen für Kinder enorm wichtig“, sagt er. Bei dem Versuch, die Lebenslage von Kindern zu verbessern, scheitere man jedoch oft an den finanziellen Mitteln, so der OB. Während er sich beklagt, dass die Stadt 2004 von der rot-grünen Landesregierung 300.000 Euro weniger für offene Jugendarbeit erhält als im Vorjahr, verdreht seine sozialdemokratische Sozialdezernentin die Augen.

Hock stellt die wichtigsten Ergebnisse des Kinderberichts vor: Unter den etwa gleich großen Städten in Deutschland ist der Kinderanteil in Essen niedriger als in den Nachbarstädten Duisburg und Dortmund, aber höher als in den reicheren Städten Düsseldorf oder Stuttgart. Der Trend zu weniger Kindern bleibe jedoch auch in Essen bestehen. Im Durchschnitt erhalten 6,3 Prozent der BürgerInnen Sozialhilfe. „Die Sozialhilfedichte ist genauso groß wie in Düsseldorf, eine Stadt, die ohne Haushaltssicherungskonzept lebt “, sagt Hock stolz. Der Vergleich kommt nicht von ungefähr: Als Oberbürgermeisterkandidatin für die Kommunalwahl im Herbst versucht Hocks, sich in der Landeshauptstadt mit sozialen Themen zu profilieren. Überproportional bleibt trotz Überarbeitung des Berichts der Anteil der armen Kinder: Bei den unter Siebenjährigen ist jedeR Fünfte von der Sozialhilfe abhängig (die taz berichtete), mehr als alle anderen Städte im Revier. „Das erfordert massive Anstrengungen in Bildung und Qualifikation“, sagt Hock. Besonders in Stadtteilen wie Altenessen-Süd und Katernberg, in denen der Anteil der armen Kinder noch größer ist.

Nicht neu, aber trotzdem erschreckend sei die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der sozialhilfeabhängigen Kinder aus alleinerziehenden Haushalten kommt. Bei der Umsetzung von Hartz IV müsse die Förderung der Berufstätigkeit von alleinerziehenden Müttern besonders beachtet werden, so die Sozialdezernentin. „Das setzt aber voraus, dass Jobs da sind“, wirft Reiniger kritisch ein, der nun ebenfalls genervt wirkt. Dies sei offensichtlich bei der ganzen Hartz-Planung untergegangen.

Hock lässt sich nicht aus dem Konzept bringen und fährt fort: 40 Prozent der Haushalte mit zwei oder mehr Kindern lebten unter „nicht optimalen Wohnbedingungen“. Das Angebot an Kinderbetreuung in Essen läge im NRW-Durchschnitt, sei aber ausbaufähig. Das trifft vor allem auf die Betreuung von unter Dreijährigen zu: „Vier Prozent sind untergebracht, der Bedarf liegt bei 20 Prozent“, so Hock.

Am Ende gibt es dann ein einmütiges Selbstlob: Bei der Sprachförderung und der Zahl an Schulabgängern schneidet die Stadt Essen gut ab.

NATALIE WIESMANN

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