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Gastronomen schießen Eigentor

Kneipenwirte und Handelskammer wollten vor dem Gesundheitsausschuss der Bürgerschaft für die Rauchfreiheit werben. Nun sind sogar Befürworter von Eckkneipen für ein totales Verbot

Qualm in Hamburg

Seit Inkrafttreten des Nichtraucherschutzgesetzes am 1. Januar 2008 sind in Hamburg mehrere Ausnahmen zugelassen worden. Gepafft werden darf nur in Lokalen mit abgetrenntem Raucherbereich. Rauchen in Einraum-Kneipen ist dann erlaubt, wenn diese kleiner als 75 Quadratmeter sind, keine Speisen zubereiten und als Raucherkneipe gekennzeichnet sind. Die Wirte müssen außerdem darauf achten, Jugendlichen unter 18 Jahren den Eintritt zu verwehren. Das Bundesverfassungsgericht erklärte dann im Juli 2008 derartige Sonderregelungen für verfassungswidrig. Ein absolutes Rauchverbot ist dem Urteil zufolge rechtens. UG

VON UTA GENSICHEN

Als sich am Donnerstagabend die Mitglieder des Gesundheitsausschusses zu einer Expertenanhörung versammelt hatten, rechnete wohl niemand damit, dass sich alle vier Bürgerschaftsfraktionen einhellig für ein komplettes Rauchverbot aussprechen würden. Geladen waren neben Nichtraucher-Initiativen auch Vertreter der Handelskammer und des Gaststättenverbandes (Dehoga). Die SPD-Fraktion hatte sogar den Abgeordneten Thomas Böwer kommen lassen, bekennender Raucher und Befürworter von Eckkneipen

Die Dehoga-Vertreter prognostizierten wie üblich den wirtschaftlichen Untergang der Gastronomen und stellten die Notwendigkeit des Rauchverbots infrage. Böwer jedoch unterstützte die Haltung der Verbände diesmal nicht. „Ich habe selten so dämliche Argumente gehört“, sagte er nach der Anhörung. Dehoga-Präsidentin Rose Pauly etwa habe prognostiziert, ein totales Rauchverbot gefährde die touristische Attraktivität Hamburgs. „Normalerweise stehe ich ja hinter den Ausnahmen für Eckkneipen“, sagte Böwer. Die Expertenrunde jedoch sei ein Anlass gewesen, diese Haltung zu überdenken.

Selbst die Bürgerschaftsfraktion der CDU sprach sich auf der Anhörung für ein absolutes Rauchverbot aus, um so die Rechtssicherheit zu wahren. „Wenn wir keine Raucherpolizei in Hamburg haben wollen, ist es nur gerecht, ein komplettes Rauchverbot durchzusetzen“, sagte der Ausschussvorsitzende Harald Krüger. Ob seine Partei diese Haltung ebenfalls unterstützt, wage er allerdings nicht zu sagen. „Die Meinungen bei uns gehen querbeet“, so Krüger.

Der Kurs der Grünen ist schon klarer. Die Aussagen von Handelskammer und Dehoga konnten die GAL in ihrer Forderung nach einem totalen Rauchverbot nur noch bestärken. „Die anwesenden Experten waren wirklich sehr schwach“, sagte die Abgeordnete Linda Heitmann (GAL). Zudem blieben sie den Fraktionen belastbare Zahlen schuldig. Für das Argument, Hamburger Wirte hätten 2008 durch das Rauchverbot erhebliche Umsatzeinbußen erlitten, konnten weder Rose Pauly noch ihr Kollege Günter Dorigoni von der Handelskammer konkrete Zahlen nennen.

Damit scheinen sich die Gastronomievertreter selbst ein Bein gestellt zu haben. Doch die Reaktion der Fraktionsmitglieder ist noch kein Indiz, dass das totale Rauchverbot tatsächlich kommt. „Die Abstimmung zwischen den Regierungsfraktionen ist wahrscheinlich das größte Problem“, sagte GAL-Politikerin Heitmann. Voraussichtlich werde sich die Bürgerschaft erst Ende März wieder mit dem Passivraucherschutzgesetz beschäftigen, um eine Entscheidung zu fällen.

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